Dane Transhimalaya Trophy 2014
Bilder zur Tour vom Meisterfotografen Christian Brandstätter
Die Geschichte dieser Reise beginnt am 6. August 2013. Bevor wir am frühen Morgen die letzte Etappe von Jispa nach Manali in Angriff nahmen, kam Jens Föhl zu mir und fragte, ob ich mir vorstellen könnte, die Trophy 2014 als Tourarzt zu begleiten. Ich sagte zu.
Meine Vorbereitungen begannen noch im Herbst 2013. Ich schlug zunächst vor, den Himalaya 2014 weiter östlich zu durchqueren: von Kathmandu in Nepal vorbei am Everest Basecamp hinüber nach Tibet bis Lhasa. Ich drang jedoch mit meinem Vorschlag nicht durch.
Durchsetzen konnte ich schließlich, dass wir die Tour nicht wie 2013 wieder von Leh zurück nach Manali fahren, sondern nach Westen Richtung Kashmir nach Srinagar fortführen. Das Kashmir-Tal ist zwar seit der Unabhängigkeit Indiens immer wieder Ort kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Indien und Pakistan, gilt jedoch als die schönste Landschaft Indiens und wird als die Schweiz Indiens bezeichnet. Das Auswärtige Amt hält zwar seine Reisewarnung aufrecht, jedoch gab es seit dem letzten Terroranschlag auf das indische Parlament durch islamische Terroristen aus dem Kashmirtal keine Bombenanschläge mehr in Srinagar. Solange man sich nicht am Abend in die Altstadt von Srinagar oder in abgelegene Seitentäler Richtung Pakistan wagt, gilt das Risiko für überschaubar.
Außerdem wollten wir den Abstecher in die Hochebene um den Tso Morini zu den tibetanischen Nomaden nachholen, auf den wir 2013 wegen der lebensbedrohlichen Erkrankung eines Teilnehmers verzichten mussten.
Meine Ausgangssituation hatte sich jedoch auch grundsätzlich verändert: War ich 2013 noch einfacher Tourteilnehmer, der als Arzt nur die üblichen Pflichten als Ersthelfer zu gewährleisten hatte, so trug ich nun als offiziell beauftragter Arzt die volle medizinische Verantwortung für alle Teilnehmer. Dass dies nicht nur für die europäischen Teilnehmer, sondern auch für das Personal des indischen Expeditionsunternehmens galt, wurde mir schlagartig während der Tour bewusst, als einer der Fahrer des Versorgungsjeeps in einem Höhenlager fast an den Folgen der Höhenkrankheit ums Leben gekommen wäre. Dazu später mehr.
Zunächst verfasste ich im März 2014 eine Zusammenfassung aller medizinischen notwendigen Informationen zu dieser Reise wie notwendige und empfehlenswerte Impfungen, Umfang der Reiseapotheke, zu erwartende Reiseerkrankungen und empfahl Teilnehmer über 45 Jahren einen Gesundheitscheck (siehe hierzu auch das Fazit aus dem letztjährigen Reisebericht).
Die Anspannung unmittelbar vor Abflug hielt sich dennoch in Grenzen, da ich ja den ersten Teil der Route bereits kannte und wusste, dass ich den Anforderungen und Anstrengungen schon einmal gewachsen war. Gespannt war ich natürlich auf die Teilnehmer 2014, waren es doch doppelt so viele wie 2013.
Ich kannte die Teilnehmerliste, wusste jedoch nicht, mit welchen gesundheitlichen und fahrerischen Voraussetzungen die diesjährigen Mitglieder der Expedition an den Start gingen. Ich war einigermaßen überrascht, als ich die Mitreisenden erstmals in Wien traf und feststellen musste, dass ich diesmal nicht der Älteste war, sondern mich im Mittelfeld wiederfand. Der Älteste war diesmal 73 Jahre alt! Es folgten einige 60 Jährige. Der jüngste Teilnehmer stand kurz vor seinem 29. Geburtstag. Konnte das gut gehen?
Hätte ich das vorher gewusst, ich hätte von jedem Reisenden eine ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung samt Vorerkrankungen, Medikamente, Allergien eingefordert und mir eine Kartei angelegt. Wieder etwas dazu gelernt! Es sollte jedoch nicht so schlimm werden. Mein Adrenalinspiegel senkte sich, je länger wir unterwegs waren. Denn: Die „Alten“ waren – von einer Ausnahme einmal abgesehen – topfit!
31.7.2014
Wecken 4.00 Uhr, Abfahrt zum Flughafen München 4.30 Uhr. Ankunft 5.35 Uhr.
Da ich dieses Mal eine separate Notfalltasche mitführte, muss ich erst noch am Schalter ein zusätzliches Ticket für Extragepäck lösen.
Die Maschine der Lufthansa startet pünktlich um 7.00 Uhr in München, um 8.00 Uhr bin in Wien. Um das Gepäck muss ich mich nicht kümmern. Das wird automatisch in die Maschine der Austrian Airline nach Dehli verladen.
Ich suche den Ruheraum auf, höre Musik, döse noch und schon ist es kurz vor Mittag. Um 12 Uhr treffe ich Jens mit seiner Truppe aus Hamburg. Die Gruppe aus Frankfurt hat etwas Verspätung, erreicht aber den Flieger noch.
Um 13.30 Uhr heben wir ab nach Dehli. Ortszeit 23.45 Uhr, zuhause ist es erst 20.15 Uhr landen wird. Der Flug ist ruhig.
Nach der Einreise stehen wir vor dem Flughafen und suchen Moti und Buddhi. Vergeblich. Wir fragen in Deutschland nach. Sven versucht die beiden zu erreichen, was ihm schließlich gelingt. Moti war Zeuge eines Unfalles, wurde von der Polizei vernommen und konnte uns daher nicht abholen. Wir schnappten uns einige Taxis und fahren in das Ashok Country Resort, 14 km vom Flughafen entfernt. Mittlerweile ist es 4 Uhr morgens. Müde gehen wir zu Bett. Die Truppe hat den ersten Schock erstaunlich gelassen weggesteckt. Immerhin wussten wir für einige Stunden nicht, ob die Expedition überhaupt starten kann. Wäre Moti nicht Zeuge – wie sich dann herausstellte – sondern schwerverletztes Opfer des Verkehrsunfalls gewesen, wäre das auch gleich das Ende unserer Dane Trophy 2014 gewesen und wir hätten uns auf die Schnelle ein Alternativprogramm überlegen können.
1.8.2014
Wir schlafen bis 10 Uhr. Frühstücken. Treffen Moti und Buddhi. Große Freude des Wiedersehens. Um 13 Uhr fahren wir mit einem Touristenbus zunächst zum Mittagessen und anschließend zur Freitagsmoschee. Von dort genießen wir mit Rikschas eine Fahrt durch die Basarviertel. Um 19 Uhr sind wir zurück im Hotel. 20 Uhr Abendessen.
2.8.2014
4.30 Uhr Frühstück. 5.00 Uhr Abfahrt zum Flughafen. Flug nach Chandhigar. Dann 10 Stunden mit dem Bus nach Manali. Abenteuer pur, vor allem für die, die das noch nicht erlebt haben. Überholt wird an allen möglichen und unmöglichen Kurven. Wenn es hart auf hart geht, steht das überholende Fahrzeug direkt vor dem entgegenkommenden, beide bremsen ihr Fahrzeug bis zum Stand ab, bis der Überholende hinter dem zu Überholenden wieder einscheren kann. Nichts für schwache Nerven, aber eine gute Einführung in den indischen Straßenverkehr.
Nachmittag holt uns der Monsun ein und es gießt aus allen Kübeln.
Wir schütteln uns nach 4-5 Stunden die Gelenke etwas aus, machen Lunch, schauen beim Regen in das Kullu-Tal und dann geht’s weiter in den späten Nachmittag. In der Dämmerung passieren wir Kullu, die Stadt, die dem Tal den Namen gab. Wer glaubt, die Fahrer würden in der Dunkelheit langsamer fahren, irrt. Jetzt geben sie nochmal richtig Gas auf den letzten 40 km nach Manali. Kein Spaß für empfindliche Gemüter. So landen wir schließlich wieder im Hotel Highland etwas außerhalb von Manali; den Komfort hatten wir im Vorjahr schon sehr genossen. Müde von den Reisestrapazen der letzten drei Tage freuen wir uns nach dem Abendessen auf unser Bett.
3.8.2014
Freude auf die erste Ausfahrt mit den urigen, im tiefen Bass vor sich hin brummenden Royal Enfield Bullet 500. Es geht hinauf in das Skiressort Solang zur Talstation der Kabinenbahn. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glauben, man sei in den Alpen unterwegs. An den Zielhängen tummeln sich ein paar Dutzend Gleitschirmflieger, die die ersten Flugversuche unternehmen. Neben der Talstation machen mir in einer der Teestuben Pause und schauen dem bunten Treiben zu. Mr. Moti repariert derweil ein kleines Kinderfahrrad.
Schon die ersten Kilometer hinauf nach Solang geben uns wieder eine Vorahnung, was uns auf den Rohtang La wieder erwartet, Baustellen, Schlamm und Schlammlöcher.
Zurück von unserer Ausfahrt erweist mir Mr. Moti die Ehre, sein Heimatdorf, sein Haus und seine Familie kennenlernen zu dürfen. Dazu möchte ich seine Lebensgeschichte kurz vorstellen.
Moti ist das jüngste von 14 Kindern. Sein Vater hatte 2 Frauen mit denen er jeweils 7 Kinder zeugte. Er stammt ursprünglich aus dem Pattan-Tal im Distrikt Lahoul, das zu seiner Kindheit 6 – 8 Monate durch die Unpassierbarkeit des Rohtang La von der Außenwelt abgeschnitten war. Seine Eltern brachten ihn daher – als er das Schulalter erreichte – in ein kleines Dorf 4km oberhalb von Manali, wo er die Grundschule besuchte. Er lernte dort neben Lesen, Schreiben und Rechnen auch ein wenig Englisch. Seine Eltern bauten dort ein kleines Haus am Berghang ca. 30 Minuten über dem Dorf, umgeben von einer mit Apfelbäumen blühenden Wiese. Nach der Schule genoss er zunächst bis zu seinem 26. Lebensjahr das Leben in vollen Zügen, zog mit Freunden durch die Berge, fuhr Motorrad und half gelegentlich bei der Apfelernte. Seine Mutter steckte ihm Geld zu. Dies änderte sich schlagartig, als sie plötzlich verstarb. Sein Vater gab nur noch Geld gegen Leistung und empfahl ihm, sich endlich eine vernünftige Arbeit zu suchen. Da sein Dorf zunehmend von Touristen aufgesucht wurde und sich dort zunehmend Reiseunternehmen ansiedelten, konnte er dort schließlich bei der Muttergesellschaft von Motorcycle Expedition – den Himalaya Frontiers anheuern. Heute gilt er für seine Arbeitgeber als Universalgenie. Er ist nämlich sowohl in der Lage, Motorradtouren für Motorcycle Expedition als auch Trekking Touren für die Himalaya Frontiers zu führen.
Herzlich werde ich von seiner Frau und seinem Sohn empfangen. In seinem Haus kommt sein 88jähriger Vater dazu. Seine Frau reicht Tee und Kekse. Wir unterhalten uns eine Stunde, dann brechen wir wieder auf nach Manali.
Um 20 Uhr trifft sich unsere Gruppe zum Abendessen in Old Manali. Nach dem gemütlichen Essen gehen wir früh zu Bett. Morgen geht´s los! In der Nacht regnet es. Wir erwarten eine Schlammschlacht am Rothang La.
4.8.2014
Nach dem Frühstück brechen wir auf. Es hat aufgehört zu regnen. Es ist frisch. Wir schrauben uns die knapp 60 km hinauf auf den „Leichenberg“. Doch die Strecke ist dieses Jahr längst nicht so schlammig wie vergangenes Jahr. Auch auf der Abfahrt in den Lahoul-Distrikt fahnden wir vergeblich nach dem großen Schlammloch, das Sven Svenson zum Verhängnis wurde und ihm alle Kräfte raubte.
Obwohl wir dieses Mal mit 20 Enfields die Pässe stürmen, kommen wir gut voran. Keine Stürze. Keine Probleme. Auch wenn das Durchschnittsalter der Truppe fast eine Rentnergang erwarten ließ – sie chauffieren die königlichen Bikes souverän!
Meine erste Vermutung bestätigt sich: Wer sein Bike souverän beherrscht, spielt sich auch auf dem Highways des Himalaya. Meine zweite Vermutung widerlegt Martin: Ich hatte Offroad Erfahrung für unabdingbar gehalten: Er hat außer Renncircuits und asphaltierten Straßen in Europa noch keine Offroadpisten gefahren. Aber er ist eins mit dem Untersatz zwischen seinen Beinen. Ganz wie Prof. Spiegel es in seinem legendären Buch „Die obere Hälfte des Motorrads“ beschrieben hat.
Rasch erreichen wir unseren Lunchposten in Gramphu Junction. Wir sind im Tal des Chandra Flusses angekommen, stärken uns und hämmern dann dem Fluss entlang bis zu unserer letzten Tankstelle in Tandi. Hier fließen der Chandra und der Bagha Fluss zusammen. Nachdem wir die Tanks gefüllt haben, folgen wir nun dem Bagha flussaufwärts vorbei an Keylong bis nach Jispa. Im Hotelgarten genießen wir die Aussicht ins Tal und unser Kingfisher (unser wertvoller Begleiter auf dieser Reise). Einem von uns schmeckt´s so gut, dass er die nächsten Tage nur noch „Kingfisher“ gerufen wirdJ).
5.8.2014
Ein strahlender Morgen erwartet uns. Heute überschreiten wir die 4000er Grenze. Die Auffahrt zum Baracha La, dem 4890 Meter hohen Pass, der die Täler des Yunan und des Bhaga trennt, verspricht Motorradgenuss vom Feinsten. Zunächst überqueren wir einen bis zu 40 cm tiefen und 100 m langen Schmelzwasserfluss, der unsere Straße quert, bei Patseo machen wir an einem klaren Hochgebirgssee Rast und schießen dann die gut ausgebaute Straße den Pass hinauf. Die Luft wird dünner. Die Lungen pumpen vor allem, wenn wir stehen bleiben. Beim Fahren mit offenem Visier drückt uns der Fahrtwind die Luft in die Lungenbläschen, sodass keine Atemnot aufkommt. Immerhin beträgt der Sauerstoffpartialdruck nur noch ein Drittel dessen, was wir zu Hause auf Meereshöhe serviert bekommen.
Die Piste wird wieder bergab wieder anspruchsvoller. Mittagessen im Zelt. Powernapping. Und weiter geht´s hinab in das Adventurecamp Sarchu. Sagenhafte Abfahrt entlang der Schlucht, in der der Yunan ins Tal stürzt. Traumhafter Sonnenuntergang mit zeitgleichem Mondaufgang.
Erste Nacht auf über 4200 m. Und es passiert: die Höhe ergreift Besitz von uns – Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Appetitverlust.
Der Einzige, der fröhlich lacht, seine Marlboro genussvoll durchzieht und keinerlei Probleme hat: unser Genussraucher Reinhold!
6.8.2014
Das Frühstück schmeckt nur wenigen. Die Motoren brummen bereits. Wir starten in einen traumhaften Morgen. Bei Sarchu verlassen wir den Bundesstaat Himachal Pradesh und gelangen nach Ladakh. Die Landschaft ist karg, bizzar. Felsformationen ocker bis braun. Wir kurven hinauf auf den Nakee La und weiter auf den Lachung La. Der Lachulung La liegt in der Region Ladakh im indischen Bundesstaat Jammu und Kashmir. Er trennt die Täler des Tsarap Chu und des Tozay Chu, welche beide über den Zanskar dem Indus zufließen. Und wir haben erstmals die 5000er Marke überschritten. Wir stehen auf 5.059 m. Die Kopfschmerzen sind vergessen. Und der nächste Höhepunkt naht im Abstieg: Kurz vor Pang verengt sich die Schlucht zu einem einzigartigen Canyon. Die Straße ist sensationell in die Felsen geschlagen und windet sich hinab zum Flussgrund. Nach einer ausgiebigen Foto- und Videosession geht es weiter zum Verpflegungscamp in Pang.
Nachdem wir uns wieder gestärkt haben, nehmen wir die 26 Kehren hinauf in die Pang Moore Plains. Es folgt eine unbeschreiblich schöne, wüstenhafte Hochebene mit einer Hochgeschwindigkeitsstrecke: Die Straße ist über 40 km durchgehend asphaltiert.
Dieses Jahr fahren wir jedoch nicht weiter über den Taglang La, sondern biegen in die Sandpiste nach Tso Kar, einem Salzsee ab. Heute übernachten wir auf 4.500 m. Kaum steigen wir von unseren Bikes, kommt die Müdigkeit, die Kopfschmerzen und bei dem einen oder anderen die Übelkeit. Die Ersten kämpfen mit dem Reisedurchfall und suchen mehrfach am Tag und in der Nacht das gewisse Örtchen auf. Manchmal muss auch ein Felsen reichen.
Ich verzichte heute auf das Abendessen, lege mich früh hin, doch dann erfolgt der erste Notarzteinsatz. Heute liegt Jens flach, hat Schüttelfrost. Geht ihm nicht gut. Doch schon am nächsten Morgen ist er wieder einigermaßen fit.
7.8.2014
Die Nacht war bescheiden. Kaum geschlafen. Kopfschmerzen. Übelkeit ist besser. Also rauf auf die Enfield. Die heutige Ettape ist fast durchwegs offroad. Vorbei an tibetanischen Exil-Nomaden gelangen wir in ein Dorf von Exil-Tibetern. Als wir ankommen, tagt der Gemeinderat. Die Kinder aus den umliegenden Nomadenzelten essen zu Mittag. Christian – unser Profifotograf – sammelt spontan und überreicht dem Schulleiter eine Spende unserer Gruppe.
Nun geht es hinauf zum Tso Morini, einem größeren Salzsee bis in das Zeltlager von Karzok auf 4.600 m. Die Landschaft ist einzigartig. In der Ferne ziehen Regenwolken auf. Regen fällt bei uns nicht. Die Sonne bietet großes Theater.
Wir besuchen das Kloster und wohnen einer Puja – (Andacht) – bei. Anschließend zieht es mich auf den Berg über dem Dorf. Die Aussicht ist im wahrsten Sinne atemberaubend.
Es wird die dritte Nacht auf über 4000 m. Die Akklimatisation ist noch immer nicht eingetreten. Wieder wenig Schlaf, Kopfschmerzen, Übelkeit, Appetitlosigkeit. Trinken und Essen fällt schwer.
Für den Ersten wird es lebensgefährlich:
Um 21.00 Uhr holt mich Gopal, unser zweiter Guide. Einem Fahrer gehe es schlecht. Ich treffe auf einen kaum noch ansprechbaren jungen Mann, er weiß nicht mehr, wo er ist, wer er ist. Er reagiert kaum mehr auf Ansprache. Er atmet schwer. Er bietet alle Zeichen einer ausgeprägten Höhenkrankheit mit Hirn- und beginnendem Lungenödem.
Schluss mit lustig. Der Patient muss unter abschwellender Medikation und Sauerstoffgabe sofort tiefer gebracht werden. Ich schicke Gopal mit dem Patienten sofort in das 7 Stunden entfernte Leh ins Hospital und bleibe bei unserer Truppe. Die Entscheidung ist schwierig, aber im nach hinein richtig.
8.8.2014
Denn nun fordert die Höhe und das fremde Land ihre Opfer. Auf der Abfahrt vom Tso Morini in das Industal erwischt es Michael aus Berlin: Auf einer scheinbar einfachen Strecke gerät er auf dem Asphalt in einer Kurve auf Sand, verbremst sich, kommt leicht von der Straße ab, prallt mit rechtem Fuß und Sturzbügel gegen einen Felsen, kommt ins Schlingern und stürzt. Motorrad Totalschaden: Öl tropft aus dem Motorgehäuse, Schalldämpfer zerstört, Schaltung kaputt. Die Maschine muss schließlich verladen werden. Michael kann mit Hilfe wieder in die Senkrechte befördert werden, klagt aber über starke Rücken- und Beckenschmerzen. Der rechte Fuß verbleibt bis zum Krankenhaus im Schuh. Er setzt die Reise unter starken Schmerzmitteln im Bus fort. Das nächste Krankenhaus ist 7 Stunden entfernt.
Doch auch Eckehard ist nun Opfer der Höhe und der Reisediarrhoe geworden. Er fühlt sich schwach, das Atmen fällt ihm schwer und das Herz schlägt völlig unregelmäßig. Ein Myokardinfarkt ist nicht ausgeschlossen. Er muss ebenfalls sofort runter vom Motorrad und ins Krankenhaus.
Die wunderschöne Straße entlang des Indus bis nach Leh können sie nicht mehr genießen. Und wie unwägbar die Risiken in diesem Abschnitt der Erde sind, müssen wir tief im Industal erfahren. Plötzlich geht nichts mehr. Die Straße ist durch meterhohe Felstrümmer versperrt. Eine Riesen Bulldozer versucht die Straße frei zu räumen als plötzlich hinter ihm und kurz darauf vor ihm das gesamte Felsmassiv droht einzustürzen. Wir ziehen uns aus dem Gefahrenareal etwas zurück, als sie plötzlich auch noch auf unserer Höhe versuchen, den Fels anzubohren und sich drohend Geröll über uns löst. Nach bangem Warten risikiert der Raupenfahrer doch nochmal sein Leben und räumt die Felsbrocken zur Seite sodass wir unter Stoßgebeten die bedrohte Passage so schnell wie möglich hinter uns bringen. Schließlich landen wir doch noch in Leh, dem Mittelpunkt Ladakhs.
Ich liefere sofort meine beiden Patienten im Hospital ein. Gott sei Dank kann bei Eckehard ein Herzinfarkt anhand des EKGs ausgeschlossen werden. Seine Extrasystolen sind am ehestens den Elektrolytverschiebungen durch die tagelangen Durchfälle zuzuschreiben. Er erhält Elektrolytinfusionen, ein Antibiotikum und bleibt eine Nacht zur Überwachung im Hospital.
Auch für die Michael ist der Unfall glimpflich ausgegangen. Die Röntgenbilder der Wirbelsäule, des Beckens und der Füße zeigen zunächst keine Frakturen. Erst die Aufnahmen in Deutschland zeigen, dass 3 Zehen gebrochen sind. Auch er bleibt eine Nacht zur intensiven Schmerztherapie im Krankenhaus. Da in Indien die Angehörigen die Patienten versorgen müssen, bleibt Gopal die Nacht im Krankenhaus und versorgt die Patienten mit Essen und Trinken.
Ich suche unseren Fahrer. Er war von Gopal am frühen Morgen eingeliefert worden. Es hatte gerade noch gereicht. Bei Eintreffen lag seine Sauerstoffsättigung noch bei 60%. Unter hochprozentiger Sauerstoffgabe und abschwellenden Maßnahmen bildete sich Hirn- und Lungenödem zurück. Die Thoraxaufnahme zeigte eine voll ausgeprägtes Lungenödem. Jetzt ist er wieder voll orientiert. Er wird zwei Tage später voll genesen wieder zu uns stoßen.
Ich erhole mich die Nacht bei endlich kopfschmerzfreien Schlaf.
9.8.2014
Während die Karawane auf den Khardang La zieht, besuche ich meine Patienten im Krankenhaus und veranlasse die Entlassung in meine weitere ambulante Behandlung im Hotel. Der Zustand Eckeharts bessert sich rasch. Nach Gabe des Antibiotikums sistiert der Durchfall allmählich und er erholt sich. Die Weiterfahrt auf dem Motorrad untersage ich ihm, da ich kein weiteres Risiko eingehen möchte. Michael wechsele ich die Verbände und bitte ihn, zunächst möglichst wenig aufzustehen und zu laufen, sondern beide Füße konsequent hoch zu lagern. Auch für ihn ist die Motorradexpedition hier zu Ende. Die Weiterreise muss er mit Eckehart im Bus antreten. Glücklicherweise sind beide einsichtig und erholen sich rasch.
Ich gehe nachmittags wieder in die Stadt, besuche verschiedene Kunstläden, den Gemüse- und den Kunstmarkt, genieße ein Bier auf der wunderschönen Dachterrasse des Il Forno und schaue dem Treiben auf der Hauptstraße von Leh zu, erwarte den Sonnenuntergang und schlendere schließlich zurück in unser Hotel (http://www.spicnspanladakh.com) in der Old Road (Old Road, Leh, 194101, Ladakh (India) Tel: +91 1982
10.8.2014
Heute ist frei. 15 Teilnehmer interessieren sich für die nahe gelegenen buddhistischen Klöster. Ich habe angeboten, die Gruppe in das Kloster Thikse zu führen. Moti, unser Motorrad Guide organisiert einen Kleinbus.
Thikse ist eines der größten Klöster im Industal ca. 17 km flussaufwärts in der Nähe von Shey, einem alten Königspalast. Ich erläutere am Eingang die Hintergründe des Buddhismus im Allgemeinen, und die Entwicklung des Klosters und der jeweiligen Räume im Besonderen. Nach eingehender Besichtigung wandern wir zu Fuß in das Dorf, von wo aus sich die ganze Pracht dieses Klosters entfaltet. Am frühen Nachmittag kehren wir zurück ins Hotel, wo uns am Nachmittag verschiedene Kostproben ladakhischer Volkstänze dargeboten werden.
11.8.2014
Früh morgens verlassen wir Leh auf dem Leh – Srinagar – Highway. Wir kurven weiter entlang des Indus in immer faszinierendere Welten. Gegen Mittag landen wir schließlich in einer von Sandstein geformten Mondlandschaft. Über dem Tal drohnt eines der imposantesten Klöster des Industals: Lamayuru! Wie ein Adlerhorst drohnt es über dieser imposanten und doch so abstrusen Landschaft. Einige wenige folgen mir nach dem Mittagessen in das Kloster, das neben einer fantastischen Aussicht in das Tal wertvolle Statuen und Wandmalereien aufweist.
Über den Zoji La ( 3,528 m) verlassen wir den buddhistischen Kulturkreis Ladahks Richtung Kargil, das nun durch die Moslems geprägt ist. Dass es hier auch mit der Toleranz gegenüber Andersdenkenden vorbei ist, merken wir spätestens in unserem Hotel, als uns zunächst alkoholische Getränke komplett verweigert werden und schließlich doch 7 Bier in Alufolie eingepackt für 20 durstige Kehlen gereicht werden. Wir haben´s überlebt! Wurde uns doch zunächst angedroht, wir müssten um 3 Uhr starten, um rechtzeitig über den letzten Pass, den Fotu La at 4,108 m in das Kashmir-Tal zu gelangen.
12.8.2014
Schließlich ließ ich Mr Moti doch bis 5 Uhr schlafen. Wir starteten um 6.00 Uhr. Die Luft war klar, etwas kühl. Langsam stampften unsere Enfields die hundert Kilometer auf den letzten Pass. Wir waren gespannt: Es war die Rede von der steilsten Abfahrt und der schlammigsten, die uns nun erwarten würde. Doch Petrus hatte es gut mit uns gemeint. Das Wetter war in den letzten Tag wohl so trocken gewesen, dass uns eine schaurige Schlammabfahrt über diese zum Teil extrem ausgesetzten und auch steilen Rampen erspart blieb. So konnten wir die Aussicht und das wunderbare Panorama genießen. Im Talboden angekommen, fanden wir uns plötzlich in der Schweiz Indiens: Abgesehen von den Berghütten, die nicht an unsere alpenländische Almhütten heranreichen, ist die Landschaft verblüffend ähnlich, die Berghänge grün, bewaldet, rauschende Wildbäche. Ein Traum. Wir machen nochmals Rast, bevor wir die letzten Kilometer bis nach Srinagar an den Dale Lake unter die Räder nehmen.
Nach über tausend Kilometer durch die faszinierendsten Landschaften dieser Erde stellen wir unsere Royal Enfields an einem Parkplatz am Dale Lake ab und lassen uns auf Booten samt Gepäck zu unserer letzten Unterkunft bringen: auf die berühmten Hausboote in Srinagar, ausgestattet wie good old british flats. Wir genießen die Ruhe, die Ausblicke auf die uns umgebenden Berge und freuen uns, dass wir alle mehr oder weniger gesund hier angekommen sind.
Den Tourabschluss feiern wir mit einer einheimischen Band auf einem Schiff bis tief in die Nacht hinein.
13.8.2014
Nach gemütlichem Frühstück lassen wir uns in die Altstadt von Srinagar bringen. Obgleich der Markt und die Moscheen durchaus eine Ausstrahlung haben, fehlt dem Besucher hier der tolerante Flair Ladahks. Die Bewohner hier sind bei weitem weniger freundlich, die Händler aufdringlicher und zum Teil aggressiv, sodass die meisten von uns froh sind, wieder ihre Ruhe auf dem Hausboot genießen zu können.
Gemütlich lassen wir den letzten Tag auf unseren Hausbooten ausklingen.
14.8.2014
Wir starten früh zum Flughafen nach Srinagar. Die Sicherheitskontrollen hier nehmen fast paranoide Züge an. Die Koffer, Taschen und das Handgepäck werden bis zu viermal in Augenschein genommen. Mancher nimmst mit Humor, anderen reichts. Sie wollen nur noch nach Hause. Dass es den meisten reicht, merken wir in Dehli: Von den 20 Teilnehmern wollen nur noch 4 nochmals zum Sightseeing in die Stadt, die übrigen wollen ihre Ruhe und warten auf die Heimflug. Um 20.30 Uhr geht’s zum internationalen Flughafen.
15.8.2014
Um 1.35 Uhr Ortszeit hebt die Maschine ab Richtung Wien. Wir landen um 5.37 Uhr. Gemeinsam verbringen wir die Wartezeit im Cafe am Flughafen. Um 8.15 Uhr verabschiede ich mich von der Truppe, und lande schließlich um 9.45 Uhr wieder in München.
Fazit:
Wieder war es eine aufregende Reise. Der Verlauf hat gezeigt, dass es eine abenteuerliche Reise mit vielen Unwägbarkeiten und Gefahren bleibt. Die Risiken für jeden Einzelnen sollten nicht unterschätzt werden. Trotzdem wird jeder begeistert nach Hause kommen und von diesem Abenteuer schwärmen.
So let´s do it again 2015:))
Lieber Doc Peter,
sehr schön zu lesen und auch deine tollen Bilder. Die Erinnerungen waren bei einigen Bildern doch sehr stark.
Dein letzter Satz in Deinem Bericht ist „so let´s do it again 2015“
Wenn Du wieder dabei bist, komme ich auch mit 🙂
Lieben Gruß von den den friesischen Bergen (nennt man auch Deich)
Sven
Hallo Peter
hast DU einfach Klasse gemacht!!! Vielen Dank für Deine riesigen Mühen damit wir alle diese Trans Himalaya Trophy 2014 in Erinnerung behalten werden!!!
LG Ebbse
Vielen lieben Dank für den tollen Blog!- Super geschrieben!
So bekommen auch die Daheimgebliebenen einen Einblick in eure super Tour .
LG Brigitte
Lieber Peter, eine grandiose Beschreibung der diesjährigen Tour, die zeigt, dass es tatsächlich ein großes Abenteur ist und bleibt, mit den Royal Enfields im Himalaya rumzubrettern. Vor allem die körperlichen und geistigen Herausforderungen für den mitteleuropäischen Fahrer kommen deutlich zum Vorschein. Die große Gruppe von 20 Teilnehmern war bestimmt auch eine Challenge, die es zu meistern galt. Die 2013er Gruppe schien mir etwas homogener gewesen zu sein. Respekt für die schnelle Aufarbeitung des Bild- und Videomaterials. Ich habe es sehr genossen, Deine Zeilen zu schmökern. Ich weiß seit 2013 durchaus, was es bedeutet, ein solches Tagebuch zu verfassen, wenn man selber gegen die Naturgewalten und die körperlichen Schmerzen ankämpfen muss. Hut ab für die Produktion des Trailers und des ausführlichen Tourvideos. Gut gemacht! Und vielleicht bis bald wieder mal. Stephan
Sehr geehrter Herr Kollege Markreiter,
lieber Peter,
eigentlich wollte ich ja nur mal kurz im Internet nachschauen, ob Ihr alle gesund nach hause zurückgelangt seid. Ich konnte zu meiner Beruhigung feststellen, daß dies (mehr oder weniger) der Fall ist, auch und vor allem Dank Deines kompetenten Einsatzes.
Ein verantwortungsvoller aber auch potentiell undankbarer Job im Spannungsfeld zwischen Lebensretter und Spaßverderber. Wie ich nach dem Genuß (wirklich ein Genuß!) Deiner Zeilen feststellen konnte, hast Du in jedem Fall den richtigen Riecher bewiesen. Chapeau!
Dein Bericht und die zahlreichen schönen Bilder haben mich auf angenehme Weise von lästiger Schreibtischarbeit abgehalten und ich habe mich dabei gefühlt, als wäre ich wieder dabeigewesen.
Kargil, Kashmir und Srinagar hätte ich letztes Jahr auch gerne noch miterlebt, aber Eure Erfahrungen mit diesem Teil Indiens waren ja offensichtlich etwas „durchwachsen“. Nach so vielen Tagen des inneren Friedens in einem buddhistischen Kulturkreis kommt das muslimische Kontrastprogramm offensichtlich besonders hart.
Danke für Deinen Bericht.
Liebe Grüße,
Markus