Dane Transhimalaya Trophy 2018

Sommer in Deutschland – Hitze – 38°. – Sonne. Sommer im indischen Himalaya – Kühle – 20° – Regen. Wir verlassen Delhi im Schnellzug nach Kalka am 6. August. Es regnet. Die Auffahrt von Kalka nach Shimla in der Schmalspurbahn versinkt in den Nebelschwaden.
Am 7. August beginnt der Versuch, die Transhimalaya Trophy von Shimla über das Spiti Valley nach Leh bis auf den Khardung La und weiter bis nach Srinagar in Kashmir zu meistern. 2016 blieben mir in Schlammlawinen stecken.
Der Wetterbericht verheißt seit Wochen nichts Gutes. 2018 drohen aufgrund der anhaltenden Regenfälle gesperrte Straßen wegen Murenabgängen.
Wir werden sehen.

7. August 2018
Der Vormittag  bleibt zunächst trocken. Wir wuseln durch den indischen Verkehr hinaus aus Shimla Richtung Narkand auf der NH 505. Tiefe Wolken hängen über den grünen Bergen. Wir gelangen in das Tal des Satluj und schwingen an seinem Ufer entlang. Die Straßen sind gut ausgebaut. Allmählich beginnt es wieder zu regnen.
Immer heftiger.
Sarahan, unser Tagesziel liegt 800 m über dem Fluss. Die Hauptstraße hinauf ist wegen eines Brückeneinsturzes gesperrt. Wir müssen auf eine einspurige, kurvige, unbefestigten Weg ausweichen. Steil, eng, und tief verschlammt, Gegenverkehr: Glücklich, wer schon etwas Erfahrung auf solchem Untergrund mitbringt. Für die, die noch nicht vertraut sind mit schlammigen Grawelroads, steigt der Stresspegel.
Jürgen ist froh, dass ein Baum den Absturz ins Tal verhindert. Er klemmt seine Enfield auf dem glitschigen Untergrund zwischen Abgrund und Baum fest und wartet, bis ihm Tourarzt Ingo zur Hilfe eilt und ihn aus der misslichen Situation befreit.
Eva verfährt sich und muss auf der engen, schlammigen Piste wenden. Doch Helfer sind schnell zur Stelle.
Marianne testet schon mal, wie schön sich ihre Enni im Schlamm ablegen lässt.
Aber schließlich kommen alle Heil im Wallfahrtsort der Hindus am Bhimkali-Tempel Sarahans an.

 

Sarahan ist das Tor zum Kinnaur-Tal. Es war die Sommerresidenz des früheren Bashahr Staates – eines Vasallenreiches in British Indien. Es liegt an der alten indisch-tibetischen Handelsstraße. Berühmt ist der Bhimakali Tempel. Er ist der Göttin Kali geweiht.

Kali ist im Hinduismus eine bedeutende Göttin des Todes und der Zerstörung, aber auch der Erneuerung. Kali gilt im Volksglauben der Hindus als eine der wenigen Göttinnen, die Wünsche erfüllen können. Der Tempel stammt in seinen Ursprüngen aus dem 8. Jahrhundert.

Es gibt zwei benachbarte Tempelgebäude. Einer ist alt, der andere ist relativ neu. Der Tempel ist in einem indo-tibetischen Architekturstil erbaut. Alternative Reihen von gerillten und ineinander greifenden Steinen und Holz verleihen den Wänden Festigkeit. Dicke Mauern mit niedrigeren Dächern, die in typischen Berggebäuden zu finden sind, sorgen im Winter für Wärme.  Bushahr-Könige waren dynastische Priester des Tempels und wohnten in denTempelanlagen, bevor sie in den 100 Meter vom Tempel entfernten Palast zogen.

Seit Urzeiten ist der Tempelhof Schauplatz des farbenprächtigen aber auch blutrünstigen Astomi-Opfers im Rahmen der Dusshera-Feierlichkeiten im Oktober. Bis zur Ankunft der Engländer wurden hier Menschenopfer dargebracht, heute müssen Ziegen und Hühner ihr Leben lassen, um die blutrünstige Göttin Kali zu besänftigen.


Religion In Indien haben zwei der größten Religionen der Welt ihren Ursprung: der Hinduismus und der Buddhismus. Heute sind 80% der Bevölkerung Indiens Hinduisten. 13 % sind Moslems, 2 % Christen, 2 % Sikhs. Die Buddhisten machen nur knapp 1 % der Gesamtbevölkerung aus, jedoch 80 % in der Region Ladakh – auch Klein Tibet genannt. Der Hinduismus ist eine der ältesten Hochreligionen. Seine Wurzeln sind über 4000 Jahr alt. Um 2000 vor Christi Geburt drangen zentralasiatische Arier nach Indien ein. Ihre vedische Philosophie vermischte sich mit den drawidischen Kulturen der alteingesessenen Bewohnern Indiens. Sie verehrten Gottheiten, die denen der alten Griechen ähnlich waren, und verherrlichten Naturgewalten: So gab es einen Gott des Feuers, die Göttin der Morgenröte, die Schar der Winde usw. Verehrt wurden diese Götter durch Opfergaben. Für die Zubereitung zuständig war die Priesterkaste, die Brahmanen. Die Zeremonien waren seit altersher im Detail festgelegt und wurden mündlich über Jahrtausende überliefert. Die ältesten Texte des „heiligen Wissens“ der Veda entstanden ca. vor 3000 Jahren. Die Brahmanen haben diese Texte über die Jahrtausende hinweg an ihre Schüler weitergegeben. Mit der Entwicklung des Hinduismus kamen weitere Schriften dazu wie das dem Gott Krishna gewidmete Bhagava Gita („Das Göttliche Lied“) oder das Ramayana (die Geschichte des Gottes Rama. Einige dieser Epen sind bis heute allgemeines Volksgut. Mütter erzählen sie ihren Kindern wie bei uns Märchen. Manchmal werden sie im indischen Fernsehen ausgestrahlt. Die Grundlehre des Hinduismus beruht auf der Vorstellung von Reinkarnation, also der Wiedergeburt der unsterblichen Seele in einem neuen Körper. Nach endlosen Wiedergeburten erst kann die Seele dann die Erlösung aus dem Kreislauf der Geburten erlangen. Jedes Leben wird dabei vom Karma bestimmt, der Summe der vorangegangenen guten und schlechten Taten. Ein gutes Schicksal ist ein Zeichen für verdienstvolle Taten in vorangegangenen Leben. Wie kann sich der Hindu der Erlösung nähern? Er kann selbstlos gute Taten verrichten (Karma Yoga). Er kann versuchen, seine Begierden durch ausschließliche Konzentration zu kontrollieren (Askese). Er kann sich Meditationschulen anschließen und sich vollkommen Gott hingeben. Im Idealfall wäre dies der eine Gott. Die Volksreligion hat aber Tausende von Gottheiten geschaffen, die alle mit einer perfekten Eigenschaft ausgestattet sind. Aus philosophischer Sicht sind sie alle Aspekte des einen Gottes. Die Gottheiten fungieren als praktische Hilfen für den Alltag. Die wichtigsten Gottheiten des hinduistischen Pantheon sind Brahma, Vishnu und Shiva, die in ihrer Dreifaltigkeit häufig gemeinsam dargestellt werden. Dabei gilt Brahma als Schöpfer des Universums, Vishnu als Erhalter und Beschützer und Shiva als Zerstörer und Erneuerer.


8. August

Die Abfahrt von Sarahan an den Fluss Sutlej ist nicht weniger abenteuerlich wie die Auffahrt. Aber auch wenn der oder die eine oder andere nochmals zärtlich den Boden küsst, kommen schließlich alle wieder Heil ins Tal.

Die Fahrt nach Kalpa entschädigt dafür mit gut asphaltierter Straße, vielen Kurven und sensationellen Ausblicken entlang des Flusses. Schon gegen Mittag erreichen wir Kalpa. Nun folgt die Registrierung mit Gesichtskontrolle am Checkpoint, ohne die eine Einreise in das obere Kinnaur- und Spiti-Tal nicht möglich ist. Hier betreten wir den Abschnitt, der an der Mündung des Spiti-Flusses nur wenige Kilometer von Tibet (China) entfernt ist.

Deshalb herrschen hier höchste Sicherheitsvorkehrungen. Die beiden bevölkerungsreichsten Staaten Indien und China stehen sich hier bis auf die Zähne bewaffnet gegenüber. Und das hat seine Gründe:

Geschichte: Im Oktober 1962 kämpften die größte Diktatur und die größte Demokratie gegeneinander. Schlecht vorbereitet, verlor Indien das Kräftemessen mit China. Bis heute gibt es keinen Friedensvertrag. Wie sehr das kommunistische China der Gegenwart sich in die Tradition des längst verflossenen Kaiserreichs stellt, hat erst vor wenigen Wochen der Konflikt mit Japan über einige Felseninseln im südchinesischen Meer gezeigt. Peking beruft sich dabei auf seine Ablehnung des „ungleichen“ Vertrages, der 1895 den Chinesisch-Japanischen Krieg beendete und die Inselgruppe Tokio zuschlug. Schon vor 50 Jahren musste Indien erfahren, dass China an Rechtspositionen der Qing-Dynastie weiterhin festhält. Es ging – und geht – um zwei Regionen im Grenzgebiet zwischen den beiden Staaten, die 38.400 und 92.000 Quadratkilometer groß sind – auf dem Papier mehr als ein Drittel der Bundesrepublik Deutschland. Allerdings liegen die beiden Länder im Himalaya und mehr als 1000 Kilometer voneinander entfernt. Auch sind sie ziemlich menschenleer. Aksai Chin in Kaschmir kam aufgrund eines Vertrages 1842 an Britisch-Indien, Arunachal-Pradesh, im Osten nordöstlich von Sikkim gelegen, wurde 1914 durch ein Abkommen zwischen Tibet und dem britisch-indischen Chefdiplomaten Henry McMahon Teil des Empire. Zuvor hatten britische Truppen in Tibet interveniert und ein Protektorat errichtet, was die Qing-Regierung nicht akzeptiert hatte. Auch ihre kommunistischen Nachfolger sahen die McMahon-Linie nicht als Grenze an. Der Tibetaufstand von 1959 und die Flucht des Dalai Lamas nach Indien veränderten die Lage dramatisch. China pochte auf seine alten Rechtstitel und begann, weite Teile der umstrittenen Regionen mit Truppen zu kontrollieren. Indiens Ministerpräsident Jawahrlal Nehru hielt dagegen und befahl die Verstärkung der indischen Militärbasen. Quelle: https://www.welt.de/kultur/history/article109913301/Als-sich-1-3-Milliarden-Menschen-den-Krieg-erklaerten.html


Die Nachrichten, die uns am Nachmittag erreichen, zwingen uns, unsere Reiseroute zu revidieren: Durch die starken Regenfälle ist ein Teil der Straße durch das Spiti Tal verschüttet. Die Wettervorhersage verheißt in den kommenden Nächten weitere starke Regenfälle. Das Risiko, dass wir erneut im Schlamm stecken bleiben – wie schon 2016 geschehen – ist uns zu groß. Wir beschließen, umzukehren und über den Jeroli Pass nach Manali zu fahren. Von dort haben wir gute Chancen über den klassischen Manali-Leh-Highway den „Mount Everest“ der Motorradfahrer zu bezwingen: den höchsten mit Motorrädern befahrbaren Pass der Erde: den Khardung La, offiziell 5.602 m hoch. Der Pass, der das Industal mit dem Nubratal an der pakistanischen Grenze verbindet.

9. August

Im Morgengrauen haben sich die Regenwolken verzogen. Die Sonne taucht das Kinnaur-Tal neben den tosenden braunen Fluten des Satluj in ein freundliches Licht. Die Straße trocknet ab. Wir geben den Ennis die Sporen und genießen die flotte Kurvenfahrt.

Rot: Geplante Tour durch das Spiti Tal – Blau: Neue Route über Manali nach Jispa

Leider verließ uns das Wetterglück wieder: Auf der Anfahrt zum Jeroli Pass begann es wieder zu regnen. Auf dem Pass war außer Nebel und Regen nichts mehr erkennbar.

Wir rollten hinab nach Shoja. Hier fanden wir wunderbare Unterkünfte, fast unseren Berggasthöfen in den Alpen gleich.

10. August

Khem, unser Tourbegleiter von Motorcycle Expeditions hatte uns gewarnt: Die Abfahrt auf  der schmalen Straße ist gefährlich. Fahrt links, hupt vor jeder Kurve, höchste Aufmerksamkeit!

Doch dann passiert es: Ein Enfieldpilot wird von einem ungeduldigen Einheimischen von hinten immer wieder bedrängt, sodass er einen Moment zu lange in den Rückspiegel schaut als ihn plötzlich ein PKW von unten kommend touchiert. Das Schlüsselbein zersplittert. Doc Ingo ist prompt zur Stelle, übernimmt die Erstversorgung, packt das gebrochene Schlüsselbein in den Begleitbus und lässt die Diagnose im Krankenhaus in Kullu sichern, und mit  Rucksackverband versorgt geht es in unser Highland-Hotel nach Manali.

Der Bruchpilot will noch eine Nacht darüber schlafen, ob er die Reise abbrechen möchte. Denn ab jetzt beginnt das große Abenteuer:

In Manali beginnt der berühmt-berüchtigte Manali-Leh-Highway – eine Fahrt ins Risiko über die höchsten Pässe dieser Erde: Rohtang La (3.978 m), Baralacha La (4.890 m), Nakee La (4903 m), Lanchulung La (5.059 m), Taglang La (5.328 m), Khardung La (5.359 m (GPS)/5602 m Passschild)!

Eine Dokumentation über diese Straße produzierte Arte vor Jahren:

https://www.youtube.com/watch?v=Ng_OyyJmPgg

Unbedingt sehenswert!

Die Routenänderung hatte aber noch einen Vorteil: Die Teilnehmer konnten die Heimat ihrer Royal Enfields und unseres Partners Motorcycle Expeditions kennenlernen, die Werkstatt besichtigen, in der die Ennis für Kunden wie uns immer wieder erstklassig in Schuss gebracht werden.

Manali ist das Davos des indischen Himalaya. Es liegt in einer Höhe von 1949 m am Fluss Beas, 40 km nördlich der Stadt Kullu und 50 km südlich des Rohtang-Passes. Die Stadt ist aufgeteilt in das heutige moderne Markt- und Touristenzentrum Manali, die alte Poststation „Duff Dunbar“ der Briten rechts der Beas, das inzwischen komplett bebaute Aleo am linken Beas-Ufer, und das ursprüngliche „Old Manali“, etwa 2–3 km nordwestlich oberhalb des Manalsu Nalla malerisch auf einem Hügel gelegen mit Obstgärten, traditionellen Stein- und Lehmhäusern und frei laufendem Vieh.

Auf Grund des milden Sommerklimas und seiner berühmten Tempel ist es vor allem Zielort für indische Touristen und Ausgangspunkt für Hochgebirgstouren und sportliche Aktivitäten indischer und ausländischer Touristen.

11. August

Das gebrochene Schlüsselbein hat gut geschlafen und sich entschieden: Es wird uns weiter begleiten – im Begleitbus. Wir starten zeitig, denn der Rohtang La (zu deutsch „Leichenberg“) ist unberechenbar. Er wurde zwar in den letzten Jahren auf der Südseite immer weiter asphaltiert, doch verschütten in der Regenzeit immer wieder Muren die Straße.

In den vergangenen 5 Jahren habe ich den Pass nur einmal Wolken- und frei von Regen und Nebel befahren können. Die Auffahrt gelingt problemlos. Bei der Teepause entdeckt einer der Teilnehmer einen Jungen mit gebrochenem Handgelenk. Glück für den Jungen, dass gleich zwei Unfallchirurgen vor Ort sind. Einmal kurz gerade gezogen, geschient, fertig.

Nach Beendigung der schmerzhaften Prozedur schaut Nasal, so heißt der Junge, schon wieder zufriedener. Khem, unser Guide, klärt ihn in Hindi noch auf, dass es besser für ihn sei, noch ins Krankenhaus zu gehen. Unsere Gruppe sammelt und gibt ihm Geld, damit die Eltern sich den Besuch auch leisten können.

Bereichert wird diese Reise zudem durch das Engagement vieler Teilnehmer, die den mittellosen Kindern mit Stofftieren eine unglaubliche Freude bereiten.

Der Pass ist wieder in Nebel gehüllt. Die Abfahrt in den Lahaul-Distrikt wird wieder herausfordernd: Plötzlich verschwindet der Asphalt und es geht über zig Kehren auf mit tiefen Schlaglöcher übersäten grob schlottriger Piste hinunter an den Chandra-Fluss. Lahaul liegt zwar im Regenschatten der Pir-Panjal-Kette, wird aber noch von Niederschlägen aus den indischen Tiefebenen bestrichen.

Entsprechend stark ist die Vergletscherung im Inneren (Chandrabhaga-Kette mit über 100 Eisgipfeln bis 6517 m Höhe). Die Dörfer Lahauls liegen vorwiegend über den Tälern der Flüsse Chandra und Bhaga (nach ihrem Zusammenfluss bei Tandi: Chandrabhaga) auf 2500–3500 m Höhe.

Glücklich und müde erreichen wir Jispa. Am nächsten Tag wartet die Königsetappe auf uns: Von Jispa über drei fast fünftausend Meter hohe Pässe auf 230 km an den Salzsee Tso Kar auf 4500 m Höhe!

12. August

Der Tag beginnt freundlich. Die Sonne scheint. Die Motoren laufen. Wir stürmen Richtung Baracha La. Doch der Pass will erarbeitet werden. Erste Flussdurchfahrt – bravourös gemeistert. Zwischenstopp Patso Hochgebirgssee auf 4000 m. 6° C. Der ideale Badesee.

Respekt! Weiter auf 4.890 m. Grandiose Aussicht. Und nun: Abfahrt über Stock und Stein. Ist der Soziasitz geeignet, um mit gebrochenem Schlüsselbein wieder heil ins Tal zu fahren? Ja: Viel bequemer als der Bus.

Nach kleinem Offroad-Ausritt für diese Bilder wieder zurück auf die Straße und nach Sarchu hinein in das gelobte Land: Ladakh: Land der hohen Pässe. Und jetzt geht es erst richtig los: Nakee La knapp unter 5000 m mit Blick auf den ersten 5000er Pass:

Lachulung La 5059 m, und was für Straßen! Da jauchzt das Motorradherz.

Leider zieht es zu und es beginnt zu regnen. Abfahrt zu einer der schönsten und bizarrsten Landschaften des Manali-Leh-Highways: Felsformationen bei Pang.

Mittlerweile ist es 15 Uhr. Noch 60 km vor uns. Zeit für eine kurze Rast. Und dann hinauf in die More Plains. Abstecher in den Sand.

Kann man mit gebrochenem Schlüsselbein selbst ein Motorrad pilotieren: Man kann vom Sozia- auf den Fahrersitz wechseln und auf der Kanonenkugel (Bullet) Richtung Tagesziel donnern: Tso Kar. Die letzten Kilometer auf der Sandpiste. Ein Teufelsweib. Und noch einer hat einen großen Schutzengel an diesem Tag:

… zerlegt es mit 80 Sachen in einer Flussfurt auf den More Plains. Die Maschine fast Totalschaden. … ist fast nichts passiert. Ein paar Risse in der Hose hält das Panzerklebeband zusammen. Unsere Top-Mechaniker flicken das Bike bis zum nächsten Morgen wieder so zusammen, dass die Reise weitergehen kann.

Ärger erwischt es am Abend meinen Kollegen Ingo. Die Höhe unseres Quartiers auf 4.500 m behagt ihm gar nicht. Heftigste Kopfschmerzen nocken ihn für ein paar Stunden aus. Sein Bruder „Nurse“ Andi übernimmt und wir versorgen die erschöpften und teils höhenkranken Piloten mit den notwendigen Getränken und Medikamenten.

13. August

Aber Andi selbst übernimmt am Morgen des nächsten Tages der Negativrekord, was die Sauerstoffsättigung im Blut betrifft: 43% (normal 98 %). Aber er lebt und nimmt sich ein paar kräftige zusätzliche Luftzüge und schon klettert die Sättigung wieder auf über 80%.

Kaum sitzt er wieder neben seinem Bruder auf dem Motorrad hören die beiden schon wieder die Sandpiste rufen: Fahrt uns nochmal – und schon fliegen sie wieder mit unseren Endurospezialisten Walter und Kurt durch die Sanddünen.

Der Rest der Mannschaft begibt sich auf dem Normalweg Richtung Tagelang La auf über 5.300 m, bevor wir uns allmählich Richtung Indus-Tal bewegen. Ingo bekommt nochmals alle Hände voll zu tun: zunächst legt sich einer unserer Mitstreiter an die Leitplanke – ihm ist außer dem Schreck nicht viel passiert – aber dann übertreiben es zwei Einheimische und fliegen richtig aus der Kurve, sodass sie froh sein können, dass sie das überlebt haben.

Ingo versorgt sie und schließt bei der Rast in Rumptse wieder auf. Dann geht es nach Upshi. Wir passieren die Polizeikontrolle und rollen allmählich auf Leh zu. Wir pausieren noch am Kloster Tiksey, eines der beeindruckendsten Klöster in „Klein-Tibet“.

Religion  – der Buddhismus Wie bereits oben ausgeführt, ist der Buddhismus die beherrschende Religion in Ladakh. 90 % der in Zentralladakh lebenden Menschen und der Zanskaris sind Buddhisten. Die buddhistische Philosophie wurde vor über 2000 Jahren aus dem damals buddhistischen Indien in den Himalaya gebracht. In Ladakh und Zanskar wird man auf Schritt und Tritt mit der Lehre des Buddha konfrontiert. Die Geschichte beginnt wie ein Märchen: Es war einmal ein verwöhnter Königssohn … Sein Name war Gautama Siddharta, Sohn eines Herrschers über ein kleines Königreich im Vorhimalaya, geboren 563 v. Ch. Er wuchs im Luxus auf. Er erlebte alles, was das Leben an Schönheiten bieten konnte. Doch er wurde unzufrieden und wollte die Welt außerhalb des Palastes kennenlernen. Auf der Straße erblickte er einen ausgemergelten blinden Alten, einen Kranken, einen Toten und einen Wandermönch. Er begann zu grübeln. Er erkannte die erste der vier Weisheiten des Buddha:

  1. Leben ist vergänglich, tragisch und leidvoll. Glück, Vergnügen und Frohsinn beinhalten das Leiden, denn diese schönen Gefühle sind zeitlich begrenzt und schlagen in Traurigkeit um. Selbst der gesündeste Mensch muss sterben.

Er verließ den Palast und übte sich Jahre in Yoga und Askese. Unter einem Pappelfeigenbaum beim heutigen Bodh Gaya in Bihar erlangte er schließlich die Erleuchtung und wurde zu einem Erwachten (Buddha). Unter diesem Baum erkannte Siddharta drei weitere Wahrheiten, die den Weg von der Entstehung und der Aufhebung des Leidens zeigen:

  1. Das besagte Leiden entsteht durch drei Grundübel: 1. Gier nach Besitz, Macht und Glück; 2. Hass auf alles, was unangenehm erscheint; 3. Verblendung und Unwissenheit über das Wesen der Vergänglichkeit.
  2. Sobald diese Grundübel aufgehoben werden, endet auch das Leiden.
  3. Weg zur Befreiung, den edlen achtfachen Pfad. Dieser Pfad ist ein von Selbstdisziplin geprägtes System aus rechtem Handeln, das niemanden verletzt, und Meditation. Damit sollen das illusorische „Ich“ überwunden und der leidvolle Kreislauf der ewigen Wiedergeburten gestoppt werden. Letztes Ziel ist ein reiner, körperloser Zustand, das Nirwana.

Nach seiner Erleuchtung wurde Siddharta Buddha Shakyamuni genannt. Er wanderte durch Nordindien und Nepal und lehrte dort. Er sammelte viele Schüler um sich, die seine Lehren weiter verbreiteten. Er starb 483 v. Ch. 200 Jahre nach seinem Tod regierte in Indien Kaiser Ashoka. Er begeisterte sich für die Lehren Buddhas und sandte Lehrer in alle Himmelsrichtungen aus. So gelangte der Buddhismus nach Sri Lanka und weite Teile Südostasiens. Von Kashmir aus reisten Gelehrte in den Himalaya. Der Buddhismus teilte sich in zwei Schulen: den Hinayana („Kleines Fahrzeug“) und Mahayana („Großes Fahrzeug“). Der Unterschied: Der Hinayana ist die ursprüngliche Form des Buddhismus. Der Gläubige sucht die Erlangung des Nirwana zu seinem eigenen Wohl. Der Mahayana-Buddhist stellt das liebende Mitgefühl mit allen Lebewesen ins Zentrum seiner Meditationspraxis. Das Ideal des verkörperten Mitgefühls sind Bodhisattvas, Wesen, die bewusst nicht ins Nirwana eingehen, um anderen auf ihrem Weg dorthin zu helfen. In Tibet, Ladakh und Zanskar sowie in den Nachbarländern Sibirien, Westchina, der Mongolei, Nepal und Bhutan hat sich diese Form des Mahayana-Buddhismus durchgesetzt. Seinen großen Durchbruch in Ladakh erlebte der Buddhismus im 8. Jahrhundert n. Chr., als der mächtigste Taktiker seiner Zeit, Padmasambhava nach Ladakh und Zanskar reiste. Mit allen magischen Praktiken befähigt, besiegte er, den Legenden zufolge, zornige Böe-Geister, die damals das Land heimsuchten. Da die Ladakhis Althergebrachtes nicht gern aufgeben, wurden diese Dämonen nicht einfach verbannt. Sie wurden zu machtvollen Beschützern umfunktioniert. Damit war die erste Integration der alten Böe-Religion in den Buddhismus vollzogen. In Tibet entstanden verschiedene Buddhismus-Schulen. Berühmt sind die Kargyüpa-Schule der „Rotmützen“, die auf die beiden großen indischen Mystiker Tilopa und Naropa zurückgehen (1016-1100) und die Gelugpa-Schule der „Gelbmützen“, die als letzte der großen religiösen Schulen im Tibet des 14. Jh. entstand. Die Gelugpa-Schule war bis 1951 die Staatsschule von Tibet. Ihr entstammte das geistliche und weltliche Oberhaupt des Landes, der Dalai Lama. Alle Dalai Lamas gelten als Verkörperung des Bodhisattva des Mitgefühls. Die jetzige Inkarnation, der 14. Dalai Lama, Benzin Gyatso, floh 1959 vor den chinesischen Repressionen nach Indien, wo er heute mit Tausenden Exil-Tibetern in Dharamsala lebt. Die Gelbmützen sind in Ladakh und Zanskar die am weitesten verbreitete Schule. Heute unterstehen ihnen die Großklöster Thikse, Likir, Rizong, Sankar in Ladakh sowie Rangdum, Tongde, Marsha, Mund und Phuktal in Zanskar.

Kloster Thikse

Die Lage des Klosters ist die imposanteste im ganzen Industal: Auf einem Hügel in der weitläufigen Indusebene erbaut, gleicht Thikse einer Miniaturausgabe des Potala in Lhasa. Unzählige weiße Hörten säumen den Weg von Shey. Der Anblick des Klosterberges bietet Ästhetik pur: Die Hörten im Tal, darüber gestaffelt die Mönchswohnungen und schließlich auf der Hügelspitze der mächtige Klosterblock – die gesamte Anlage wirkt wie eine mit dem Felsen verschmolzene steinere Großplastik. Dem Kloster ist eine Schule mit ca. 40 Schülern im Alter von 9 bis 22 Jahren angeschlossen. Am schönsten ist der Weg zum Kloster über den Zickzackpfad durch die Mönchsquartiere. Die Ursprünge des Klosters reich bis in das Jahr 1450 zurück.

Durch einen offenen Vorraum gelangt man in den Versammlungsraum. Die Wandmalereien widmen sich den buddhistischen Grundthemen: Symbole des langen Lebens und der höchsten Weisheit. Das Lebensrad veranschaulicht, was Menschen mit schlechtem Lebenswandel droht: Sie fallen nach ihrem Tod in die dunklen Regionen der Hölle oder in das Reich der Hungergeister hinab.

Die aufwändige Holzkonstruktion im Innenraum  zeigen kunstvoll geschnitzte Balken mit heiligen Formeln in Sanskritschrift.

Die Fresken an den Wänden des Obergeschosses stellen die Ahnengalerie des Gelukpaordens dar: Ihr geistiges Erbe beginnt mit Buddha Shakyamuni und 16 weisen Lehrern, gefolgt von Heiligen und Gurus.

Hinter dem Versammlungsraum befindet sich eine nur bei den Gelbmützen vorzufindende Einrichtung: der Figurenraum (Tsankhang). Die zentrale Position nimmt der historische Buddha ein, der begleitet wird von der Bodhisattva Manjushri (rechts) und Maitreya (links).

Ein Teil des Klosterhofs wurde kürzlich durch ein Gebäude erweitert, das einige alte Thanks, Silberchörten und Reliquien verstorbener Klosteräbte birgt.

Besonders verehrt wird der Maitreya in dem Maitreya Seitentempel.Diese zweistöckige Figur ist hervorragend gearbeitet mit mit ihrer farbenstarken Bemalung ein optischer Hochgenuss. Der Buddha des künftigen Zeitalters sitz hier auf einer Lotusblüte und ist mit allen Ornamenten eines Königs geschmückt.

An der Längsseite des lang gezogenen Klosterhofes steht der Gonkhang, erkennbar durch seine rote Fassadenfarbe. Es ist der Raum der Schutzgötter. Hinter einer Absperrung steht, mit Tüchern verhängt, der zornige Hauptgott der Gelbmützen, Yamantaka.

Die Buddhisten haben größten Respekt vor diesem schwarzen, mehrköpfigen und vielarmigen Ungeheuer. Neben Yamantaka herrschen hier der stierköpfige Herr des Todes, Yama, die Göttin Salden Lahm und der sechsmalige Mahakala.

Hingerissen von der Schönheit dieses Klosters geht die Reise weiter in die Hauptstadt Ladakhs – Leh. Müde und glücklich erreichen wir unser Hotel.

Der verbliebene Tag lädt ein, das rege Treiben der Stadt zu erkunden und schließlich und der königlichen Festung auf der Dachterrasse des „Il Forno“ zu beschließen.

14. August

Wir starten am späten Vormittag, um mit den Bikes den „Mount Everest“ der Motorradfahrer zu bezwingen: den Kardung La, den höchsten mit einem Motorrad befahrbaren Pass. Auch wenn die offizielle Höhenangabe von 5.602 m den modernen GPS-Daten nicht standhält, auch 5.369 m mögen erst einmal bezwungen werden.

Geht es zunächst noch auf gut asphaltierter Straße Richtung Gipfel, kämpfen sich die Recken die letzten 15 km auf losem Schotter und tiefen Schlaglöchern auf die Passhöhe.

Glücklich angelangt lassen es sich manche nicht nehmen, den Höhenrekord per pedes noch einmal zu toppen. Am Gipfel der Gebetsfahnen zeigt das GPS 5.400 m, 590 m höher als der Mont Blanc!

Glücklich – und der eine oder andere – leicht höhenkrank, streben wir wieder Leh entgegen. Nicht ohne noch einen Hardcore-Enduro-Ritt im freien Gelände zu versuchen, was dem Cheforganisator der Tour ums Haar einen Knöchelbruch beschert hätte.

Doch die Götter waren ihm gewogen. Auch er erreicht das Tal wieder ohne gröbere Blessuren.

15. August

Am indischen Unabhängigkeitstag verlassen wir Leh Richtung Kargil. Der Leo-Srinagar-Highway ist bestens ausgebaut. Wir cruisen am Indus entlang, bis wir Richtung Moonvalley abbiegen und sich uns ein weiteres sensationelles Kloster auftut:

Kloster Lamayuru

Das Kloster hinter dem Fatu-Pass bieten einen unvergesslichen Anblick. Dieses in einer faszinierend bizarren Landschaft liegende Kloster ist eines der ältesten in Ladakh.

Die Ursprünge reichen zurück ins 11. Jahrhundert n. Chr. Bis heute ist das Rotmützenkloster mit seinen 150 Mönchen eines der größten in Ladakh.

Von hier verlassen wir allmählich das buddhistische Ladakh und gelangen in das muslimische Kargil. Kargil erhielt traurige Berühmtheit durch den nach dem Ort benannten Krieg.

Der Kargil-Krieg, auch Kargil-Konflikt, seltener Vierter Indisch-Pakistanischer Krieg oder Dritter Kaschmirkrieg, war eine kriegsnahe bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den südasiatischen Staaten Indien und Pakistan um die von beiden Seiten beanspruchte Region Kaschmir im Jahr 1999. Unmittelbarer Anlass war das Eindringen bewaffneter Einheiten von pakistanisch kontrolliertem auf indisch kontrolliertes Territorium. Indien beschuldigte Pakistan, diese Einheiten zu unterstützen. Der Krieg endete mit einem Erfolg für Indien, löste jedoch die seit 1947 bestehende Kaschmirfrage nicht.

16. August

Wir starten in den frühen Morgenstunden, um über die fast leere Straße über Dass auf den letzten Pass dieser Transhimalaya Tour: den Zoja La. Dieser Pass ist gefürchtet, weil die Abfahrt in die indische Schweiz – Kashmir – bei Regen eine gefährliche steile Schlammpassage wird. Wir haben Glück: Es ist trocken und wir genießen das herrliche Panorama und die sensationellen Ausblicke.

Wir rollen hinab Richtung Srinagar an den Dal-See. Glücklich, diese gewaltige Tour, in harmonischer Gemeinschaft gesund (fast) beendet zu haben, bedanken wir uns bei unseren indischen Begleitern, die die Reise wieder zu einem perfekten Erlebnis gemacht haben. Wir übergeben Motorradbekleidung und Geldspenden, verabschieden uns herzlich und feiern das Ende der Reise auf den fantastischen Hausbooten am Dale-See.

17. August

Mit dem Flieger geht es zurück nach Delhi und von dort wieder in der Nacht zum 18. August nach Hause.

Noch Tage später laufen über die WhatsApp-Gruppe Kommentare der Glückseligkeit und des Dankes über den Äther. Es war ein echter ONCE A LIFE TRIP durch das höchste Gebirge der Welt.

Wer jetzt Lust bekommen hat, uns 2019 auf dieser Tour zu begleiten, kann sich direkt bei mir melden:

Telefon: +49 175 3257861

oder per E-Mail: peter.markreiter(at)gmail.com

oder auf der DANE Trophy website

Buchung DANE TRANSHIMALAYA 2019

Stichwort: Blog Dr. Peter Markreiter

 

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