Dane Transhimalaya Trophy 2019

Die Tour der Superlative

Es war die härteste und anspruchsvollste Trophy, die wir die letzten sieben Jahre gefahren sind:

Die drei härtesten Tagesetappen am Stück, die höchsten Schneewände, die tiefsten Flussdurchfahrten, die größten Temperaturunterschiede, die doppelte Befahrung des höchsten mit Motorrädern befahrbaren Passes der Welt, die Ersterkundung des Nubratals an der Grenze zum Karakorum, die brutalste und herausfordernste Rückreise aus Ladakh!

Eine Tour, die Mensch und Maschine an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht hat.

Es begann alles harmlos: das Wetter war schön, der Monsun war noch nicht hereingebrochen, die Temperaturen schienen zunächst optimal. Erstmals bestand die Möglichkeit, die große Transhimalaya Durchquerung von Shimla bis zum Khardung La über die anspruchsvollste Route zu fahren: Über das berüchtigte Spiti Tal, das uns 2016 mit Erdrutschen am Durchfahren gehindert hatte und das wir 2018 wegen starker Regenfälle umfahren mussten.

Tag 1: Sonntag, 7. Juli 2019

München – Dehli (6000 KM)

Die Lufthansa fliegt täglich von München um 12:15 Uhr nach Delhi. Der Flug dauert ca. 7:30 Stunden. In Delhi geht die Sonne 3 ½ Stunden früher unter. Bei der Landung zeigt die Uhr noch 19:45 Uhr Münchner Zeit, vor Ort ist es bereits 23:15 Uhr.

Mr Moti, unser langjähriger Tourguide, erwartet unsere Münchner Truppe bereits am Flughafen. 2019 sind 18 Teilnehmer dabei. Er bringt uns ins das Ashok Country Resort. Die Nacht wird kurz. Ab ins Hotel und ins Bett. Wecken 5:30 Uhr.

Tag 2: Montag, 8. Juli 2019

Delhi – Shimla (340 km)

Der Bus bringt uns durch das erwachende Delhi (216 m) zum Hauptbahnhof. Um 7:40 Uhr fahren wir mit dem Schnell-Zug in 4 Stunden bis Kalka (670 m) und steigen dann um in die Schmalspurbahn nach Shimla. Die Bahn erklimmt in gemächlichem Tempo 1450 Höhenmeter.

Am Abend erreichen wir die Hauptstadt von Himachal Pradesh auf 2100 Meter mit 170.000 Einwohnern. Kleinbusse bringen uns ins Hotel Eastbourne zum Abendessen.

Tag 3: Dienstag, 9. Juli 2019

Shimla – Sarahan (170 km)

Das Wetter ist perfekt. Angenehme 18° C, trocken.

Am Morgen starten wir mit unseren Royal Enfields (überwiegend Himalayans, vereinzelt noch Bullets) durch das Gewusel der Großstadt und gewöhnen uns an Linksverkehr und indische Verkehrsregeln: Der Stärkere hat Vorfahrt, absolute Vorfahrt haben heiligen Kühe, die Hupe ist wichtiger als der Blinker!.

Allmählich wird der Verkehr ruhiger. Wir cruisen durch die Kiefernwälder nach Narkand (KM 60, 2770 HM), von dort kurven wir hinunter zu unserem Reisebegleiter der nächsten Tage, dem Fluss Satluj (auch Sutlej oder Satlej;) und folgen ihm bis Jeori (KM 143, 1400 HM).

Hinauf nach Sarahan (2100 HM) haben wir dieses Jahr zwei Alternativen im Angebot: Die klassische Route ist nach Fertigstellung der Brücke wieder über Asphalt befahrbar, für die, die schon mal Schotter testen mögen, bieten wir die Auffahrt über Schotter an. Gemeinsam kommen wir am Nachmittag in Sarahan an.

Gegen 16 Uhr besichtigen wir den ersten kulturellen Höhepunkt, den Bhimakali Tempel.

Tag 4: Mittwoch, 10. Juli 2019

Sarahan – Kalpa (Hindustan-Tibet-Straße) (120 km)

Zunächst fahren wir von 2200 m wieder hinab nach Jeori auf 1400 m und folgen nun dem Flusslauf des Satluj auf der legendären Hindustan-Tibet-Straße in das Kinnaur Tal.

Fasziniert folgen wir den herrlichen Kurven durch die in den Fels gemeißelten Straße über dem Fluss. Immer wieder halten wir staunend an, um den Bau dieser in den Fels gebauten Straße zu bewundern. Die Straße wurde um 1850 von Hand und ohne die Hilfe moderner Maschinen gebaut. Welche Meisterleistung!

Der größte Teil der Hindustan-Tibet-Straße führt durch das Kinnaur-Tal. Sie führt am Ufer des Flusses Satluj entlang und gelangt schließlich am Shipki La Pass nach Tibet.

Reckong Peo, der Hauptsitz des Distrikts Kinnaur, liegt etwa 235 km von der Landeshauptstadt Shimla entfernt.  Der Bezirk wurde 1989 für Ausländer und die Außenwelt eröffnet. Der britische Generalgouverneur von Indien, Lord Dalhousie (1848-1856), ließ im Juni 1850 den Bau der Hindustan Tibet Road in Auftrag geben.

Nach einer Teepause in der Nähe des riesigen Wasserkraftwerks Nathpa Jhakri, eines  nähern wir uns dem heutigen Tagesziel Kalpa.

Bevor wir in das Hotel hochfahren können, müssen wir den Checkpoint in Kalpa für das Inner Border Permission aufsuchen. Da das Büro nachmittags nicht permanent besetzt ist, müssen wir bis um die Mittagszeit in Kalpa eintreffen.

Ausländer, die die Schutzgebiete von Lahaul & Spiti Valley und Kinnaur besuchen möchten, müssen die Genehmigung hier einholen. Wir müssen uns registrieren lassen, da die Region direkt an Tibet und damit an China grenzt.

Die Pässe werden eingesammelt und die Teilnehmer einzeln in das Kontrollbüro einbestellt. Die Prozedur dauert ca. eineinhalb Stunden.

Anschließend geht es über Serpentinen hoch in das Hotel direkt gegenüber des Kinnaur Kailash, der sich dieses Jahr in voller Pracht zeigt. Seine Pyramidenform erinnert an das Matterhorn.

Kurz vor dem Hotel passiert Denny ein Missgeschick: Es geht im 180° Bogen in die steile Hotelauffahrt. Denny bleibt hinter seinem Vordermann stehen und zwar maximal rechts. Er setzt seinen rechten Fuß neben das Bankett und da gibt es keine Halten mehr: Er verliert das Gleichgewicht und stürzt samt der 180 kg schweren Bullet den Hang hinunter.

Glücklicherweise bleibt die Maschine liegen und kullert nicht weiter wie Denny. Er kommt mit dem Schrecken und einer Schulterprellung davon. Mit vereinten Kräften heben die zu Hilfe eilenden Kameraden die Enfield wieder auf die Straße.

Denny erholt sich rasch wieder vom Schreck und kann am nächsten Tag weiterfahren.

Nach dem Mittagessen erkunden die einen die Gegend zu Fuß, die anderen mit dem Motorrad und entdecken dabei ein Seitental, dass so spektakulär zerklüftet ist, dass wir es tags darauf zusammen erkunden.

Tag 5: Donnerstag, 11. Juli 2019

Kalpa – Kaza (240 km)

Nach Erkundung des Seitentals fahren wir wieder hinab zum Satlej. Die Schlucht, in der sich der Fluss eingräbt, wird immer enger. Wir folgen ihr bis zum Khab Sangam, dem Zusammenfluss von Spiti River und Satlej. Wir fahren nun hinein in das Spiti Valley. Die Straße schmiegt sich zunächst den Felsen an, um schließlich in unzähligen Serpentinen hinauf in das Dorf Nako zu führen. Die Aussicht in die Spiti Schlucht ist gigantisch. Die Gruppe zieht es auseinander. Die Fotografen bannen jedes Fotomotiv auf den Sensor. Die Biker, die den Flow des Dahingleitens lieben, fliegen den Berg hinauf.

Und plötzlich ist die Gruppe getrennt: Eine Sprengung stoppt die Fotografen. Straßenbautrupps sind wieder unterwegs und reparieren die im letzten Winter arg mitgenommene Piste. Nach ca. eineinhalb Stunden startet die Aufholjagd. Dabei wird Sandra beim Überholen von einem plötzlich ausscherenden Pickup abgeschossen, fliegt den Berg 5 m rauf und der Schwerkraft folgend wieder herunter. Die Bullet landet auf dem Fuß, der nach Augenzeugenbericht eingequetscht wird, bis die Helfer die Ärmste von der schweren Last befreiten. Sie helfen ihr in den Begleitbus und bringen sie nach Nako zum Lunchtreffpunkt.

Sandra ist tapfer. Sie humpelt, gestützt auf ihren Mann in das Lokal. Ibuprofen lindert den Schmerz. Im Begleitbus geht es weiter – nonstop – bis zu unserem Quartier in Kaza. Auf den Besuch des weltberühmten Klosters Tabo verzichtet Sandra und fährt direkt ins Quartier. Nach vorsichtiger Entfernung des Schuhs blüht die Schwellung über dem Außenknöchel auf. Die Untersuchung zeigt, dass der Außenbandapparat des Sprunggelenks der einwirkenden Gewalt nicht standgehalten hat. Wie sich später zeigen wird, sind die Außenbänder knöchern ausgerissen. Voltarensalbe und Bandage stabilisieren das Sprunggelenk.

Tag 6: Freitag, 12. Juli 2019
Kaza – Jispa (209 km)

Wir starten früh. Die Luft ist noch kühl. Zunächst hinauf nach Kibber, dem höchst gelegenen Dorf Indiens auf 4270 m. Von dort geht es über die Chicham Brücke, die höchst gelegene Brücke Asiens. Sie führt über den Samba Lamba Nallah Canyon. Sie verkürzt die Reise von Kibber nach Losar um 40 km.

Die gut ausgebaute Straße führt zunächst über eine Hochebene mit herrlichem Ausblick um die umliegenden 6000er.

In Losar mündet die Straße wieder auf die frühere Hauptverbindungsachse von Kaza Richtung Manali-Leh-Highyway. Auf unbefestiger Straße erklimmen wir über zig Kehren den Kunzum La auf 4590 m.

Wir verweilen kurz an der Tempelanlage mit den Chörten, bevor wir in sensationellen Kehren führt die abenteuerliche Straße hinab zum Oberlauf des Chandra Flusses. Die Passstraße verbindet somit den westlichen Teil (Lahaul) mit dem östlichen Teil Spiti des Distrikts Lahaul und Spiti.

Wir folgen nun dem Chandra Fluss. Ab hier wird die Strecke zunehmend anspruchsvoller. Die Straße mutet zunehmend mehr als Flussbett an, das mit einsetzender Schneeschmelze gegen Mittag zunehmend geflutet wird. Der Untergrund ist von großen runden Steinen gepflastert und fordert höchste Konzentration. Schließlich führt die Straße wieder am Hang entlang, sodass mehrere Wasserfälle zu durchqueren sind.

Erst dort, wo die Straße auf den Manali-Leh-Highway auf der Nordseite des Rohtang Passes einmündet, gelangt man wieder auf Asphalt. Bis dahin liegen 100 km anspruchsvolle Offroadpiste hinter uns. Wir sammeln uns wieder am Checkposten in Khoksar. Von dort geht es nun auf einer gut ausgebauten Straße immer dem Chandra folgend bis nach Tandi, wo sich der Chandra mit dem aus Fluss Bhaga zum Chandrabhaga vereinigt. Ab Tandi folgen wir dem Bhage flussaufwärts über Keylong bis nach Jispa, unserem heutigen Tagesziel.

Tag 7:  Samstag, 13. Juli 2019

Jispa – Tsokar (220 km)

Nun geht es in das Land der hohen Pässe nach Ladakh. Bei herrlichem Wetter brechen wir auf zum ersten fast 5000er, dem Baralacha La auf 4850 m. Nach Passieren des Checkpoints in Darcha folgen wir dem Manali-Leh-Highway zunächst bist Patso. Dort findet sich ein wunderschöner, von Gletschern gespeister See, der jedes Jahr den einen oder anderen dazu verleitet, der Gruppe zu demonstrieren, was ein eiskalter Hund ist. Dieses Jahr finden sich sogar zwei, die in diesem eiskalten Gletschersee schwimmen gehen.

Nach dieser Abfrischung geht es hinauf zur Teepause an die Zing Zing Bar. In all den Jahren war dieser Streckenabschnitt völlig harmlos. Doch im vergangenen Winter fiel im Himalaya ähnlich wie in den Alpen so viel Schnee, dass dieser die an sich gut geteerte Straße aufgebrochen und sie auf mehrere hundert Meter zu einem wilden Flussbett verwandelt hat.

Plötzlich stehen wir in einem ewig langen Stau aus PKWs, LKWs und Bussen. Mit unseren Motorrädern gelingt es zwar bis nach vorne zu fahren, doch dann geht plötzlich nichts mehr. Die Fahrrinne wird durch ein festsitzendes Fahrzeug komplett blockiert.

Es dauert insgesamt fast 1 ½ Stunden bis das Fahrzeug mit vereinten Kräften über die groben Felsbrocken gehoben und geschoben ist, doch dann folgt ein riesiger Militärkonvoi, den wir passieren lassen müssen, bis wir endlich Richtung Zing Zing Bar weiterfahren können. Eine Zeitlang geht es flüssig dahin, bis hinter einer Kurve ein völlig zerstörte Enflield zwischen den Felsblöcken am Rande der Straße liegt, das gerade geborgen wird. Gerd aus München steht völlig unverletzt daneben. Auf die Frage, wie das passieren konnte, erklärt er, er sei um die Kurve gekommen, habe ein grandioses Fotomotiv im Blick gehabt und darüber vergessen, sich auf die Fahrbahn zu konzentrieren. So sei die Enfield in Kurvenlage solange weitergefahren, bis sie schließlich die Fahrbahn verlassen hatte. Sie hat ihn noch rechtzeitig abgeworfen, bevor sie sich an den angrenzenden Felsbrocken selbst zerstört hat. Totalschaden. Da wir immer Ersatzmotorräder dabei haben, konnte der Unglückliche auf einer anderen Maschine weiterfahren. Der Tag stand unter keinem guten Stern. Das sollte erst der Anfang sein.

Während wir uns dem ersten fast 5000er Pass, dem Baracha La mit 4850 m nähern, staune ich: Mitte Juli fahren wir ab 4700 m durch meterhohe Schneewände wie wir sie noch nie vorher um diese Jahreszeit gesehen hatten.

Auf dem Pass bemerkt Harald, dass er bereits mit Müdigkeit zu kämpfen hat. Er hat keine Lust mehr, den Helm abzunehmen für ein Gipfelfoto. Er bekommt zunehmend Konzentrationsprobleme bei der Abfahrt nach Sarchu, dem nächsten Checkpoint auf dem Weg nach Ladakh. Plötzlich bleibt er am Straßenrand stehen. Er bittet Titus, ihm vor zu fahren. Aber nach ein paar Kilometern ist endgültig Schluss. Er stellt die Enfield am Straßenrand ab. Er ist fix und fertig und wechselt in den Begleitbus. Am Checkpoint untersuche ich ihn. Er hat erste Zeichen einer Höhenkrankheit: Er bekommt Sauerstoff und Diamox.

Ich begleite den Bus über die nächsten 5000er, den Nakee La und den Lachulung La bis nach Pang. Khem, einer unserer Guides von Motorcycle Expeditions haben bereits ein Taxi besorgt, das unsere angeschlagenen Helden direkt nach Leh bringen soll.

Mittlerweile leiden auch Arne, unser junger Freund aus dem hohen Norden, und Axel, Hotelier des Tourenfahrerhotels Sassor im Ederbergland, an Übelkeit, Kopfschmerzen.

Im Ersten-Hilfe-Zelt in Pang ist die Sauerstättigung schon unter 80% gefallen, sodass wir Arne und Axel auch zu Harald und seiner Frau Sandra in das Taxi setzen. Sandras Sprunggelenk schwillt auch immer wieder an, sodass ich sie in Leh röntgen lassen möchte, um eine Fraktur auszuschließen.

Ich habe noch ein Problem: Wir haben zwei Sauerstoffflaschen im Bus. Die erste ist leer. Die zweite brauche ich für Notfälle, da wir an diesem Tag mit dem Rest der Truppe in Tso Kar auf 4541 m übernachten werden. Und es wäre nicht das erste Mal, dass einem dieses Nachtlager in der Höhe Probleme bereitet. So hatte das vergangene Jahr mein Freund und ärztlicher Kollege Ingo mehrere Stunden stärkste Kopfschmerzen und alle Anzeichen eines beginnenden Höhenödems, das er medikamentös gerade noch so in den Begriff bekam.

Also machten sich Sandra und Harald, Arne und Axel ohne Sauerstoff mit dem Taxi auf direktem Weg nach Leh. Ich entschied, bei der Truppe wegen des nicht ungefährlichen Nachtlagers mit einer Sauerstoffflasche zu bleiben. Für 2019 die falsche Entscheidung! Denn während dieses Mal die Nacht in Tso Kar alle ohne größere Probleme überstanden – von einer gewissen Schlaflosigkeit und leichteren Kopfschmerzen einmal abgesehen -, entwickelte sich die Taxifahrt nach Leh mit Khem, unserem erfahrenen Tourguide zu einem Wettlauf mit der Zeit. Auf der Fahrt ging es zunächst Axel immer schlechter. Er musste sich mehrfach übergeben. Aber nach Passieren des höchsten Passes Richtung Leh, dem Tanglang La 5360 m, brach Harald ein und entwickelte ein Höhenlungenödem, sodass er das rettende höchste Militärlazarett in Karu gerade noch in letzter Minute erreichte. Unterwegs hatte Khem noch eine kleine Sauerstoffflasche aufgetan, die Harald in kürzester Zeit inhaliert hatte. Doch er bekam immer weniger Luft. Seine Lungenbläschen füllten sich allmählich mit Flüssigkeit aus den Blutkapillaren. Bei der Höhenkrankheit verändert sich allmählich die Durchlässigkeit der Blutgefäße, sodass vermehrt Flüssigkeit in die Umgebung austreten kann, was in der Lunge zur Flüssigkeitsansammlung in den Lungenbläschen führt und im Hirn zur Schwellung des Gehirns, das in der harten Hirnschale zunehmend eingequetscht wird.

Der Militärarzt versorgte Harald sofort mit Sauerstoff, erhob eine detaillierte Anamnese, erkundigte sich nach bereits verabreichten Medikamenten und injizierte ihm schließlich nochmals Diamox, Kortison und ein Diuretikum zum Ausschwemmen der Flüssigkeit. Nachdem Harald soweit wieder stabilisiert war, konnte die Fahrt in das Krankenhaus nach Leh fortgesetzt werden.

Unsere Höhenkranken erhielten dort ein Bett und Sauerstoff, nachdem sie von einer diensthabenden Ärzte kurz aufgenommen und auf die Touristenstation verlegt worden waren. Sandra war so großzügig und entließ Khem, der sich hervorragend um die Kranken gekümmert hatte, gegen Mitternacht in die Nachtruhe und wachte über den Sauerstoff für unsere Patienten. Sobald eine der drei Flaschen wieder gewechselt werden musste, informierte sie die Krankenschwester. Morgens erschien dann wieder Khem mit Frühstück. Da am Sonntag nur ein Arzt für Notfälle im Krankenhaus zur Verfügung stand, entschied sich unser Lazarett, auf eigene Verantwortung das Krankenhaus zu verlassen, und sich wieder in meine Obhut ins Hotel zu begeben, weil sie davon ausgingen, dass wir mittlerweile auch im Hotel eingetroffen sein müssten.

Tag 8: Sonntag, 14. Juli 2019

Tso Kar – Leh  (153 km)

Wie schon oben erwähnt, verlief die Nacht in Tso Kar ohne größere Komplikationen. Der eine oder andere hatte zwar wenig und schlecht geschlafen.

Aber die beste Therapie ist tatsächlich, rauf aufs Motorrad. Der Fahrtwind macht munter und presst Sauerstoff in die Lungen. Es war kalt, wir starten bei unter 10° C Richtung Tanglang La. Und es wird immer kälter. Als wir auf dem Tanglang La ankommen, liegt ringsherum Schnee.

Auch ein Novum in 7 Jahren Transhimalaya Trophy. Nach einem warmen Tee geht es hinab in das Industal. Nur langsam wird es wieder wärmer. Sven, von Beruf Geologe, ist fasziniert, von den roten Felstürmen, die sich beim Durchfahren der Schlucht kurz vor Upshi auftun.

Nach Passieren des Checkpoints cruisen wir auf einer gut ausgebauten Straße vorbei am riesigen Militärlager in Karu, in dem in der vergangenen Nacht Harald so hervorragend versorgt worden ist, Richtung Thiksey. Das Thiksey Kloster ist eines der bedeutendsten buddhistischen Klöster im Industal und lädt immer ein zu einer Besichtigung.

Anschließend brechen wir auf nah Leh, um im Hotel wieder auf Sandra und Harald, Axel und Arne sowie Khem zu treffen. Es sind alle wieder wohl auf. Der Nachmittag steht zur freien Verfügung, um sich in der Stadt umzusehen. Die Fußgängerzone – einige Jahre wegen „Beautification“ eine riesige Baustelle, ist mittlerweile fertig und gut gefüllt. Am Straßenrand bieten einheimische Bäuerinnen aus dem Umland ihre Salate und Gemüsesorten feil.

Es reiht sich Geschäft an Geschäft. Souvenirläden, Handyshops, Reisebüros, Buchläden, Restaurants. Leh ist das touristische Outdoorzentrum für Bergsteiger, Mountainbiker, Kajak- und Raftingbegeisterte und natürlich Motorradfahrer und sonstige Abenteurer.

Wie schon eingangs erwähnt, haben wir aufgrund der politischen Spannungen in Kashmir die Route dahin umgeplant, dass wir am nächsten Tag den höchsten mit Motorfahrzeugen befahrbaren Pass der Erde, den Khardung La (offiziell 5602 m) überfahren möchten, um in das Nubratal zu gelangen. Natürlich ist der Khardung La für Motorradfahrer so etwas wie der Mount Everest für Bergsteiger. Es ist für viele das Sehnsuchtsziel dieser Reise. Deshalb fällt es mir immer wieder schwer, Teilnehmern, die von der Höhenkrankheit gerade wieder genesen sind, zu erklären, dass für sie dieses Ziel tabu ist und sie einen Rückfall riskieren. Auch dieses Jahr kostete es viel Überredungskunst, Axel und Arne zu überreden, auf dieses Traumziel zu verzichten.

Tag 9: Montag, 15. Juli 2019

Leh – Hunder (120 km)

Nur noch 12 von 18 Teilnehmern machen sich auf den Weg zum Khardung La, bald werden wir noch zu 11 in das Nubratal abfahren. Der Blick auf den Pass verheißt nichts Gutes. Es droht zu regnen. Graue Wolken hängen tief. Es wird kälter und kälter. Als wir das Dach der Welt erreichen, stehen wir im Schneesturm. Ein paar erklimmen mit mir die Aussichtsplattform über schrofiges Gestein, das tückisch glatt durch den Schnee ist. Kein wirtlicher Ort an diesem Tag. Ich verzichte auf einen weiter Anstieg zum nahegelegenen Gipfel wie letztes Jahr und schaue, dass ich zurückkomme. Diese kurze Höhenkletterei hatte ich Denny versprochen, weil er mit Freunden Udo und Paul von der Himalaya Trophy 2016 eine Kilimandscharo-Besteigung plant.  Denny war neben Sven einer der 2016 Teilnehmer, denen es keine Ruhe gelassen hatte, dass sie den „Gipfelsieg“ damals verpasst hatten. Sie wollten es nochmal wissen. Und die Götter waren ihnen hold. Beide standen 2019 auf dem Khardung La. Allerdings hatte Denny, ein guttrainierter Radfahrer, hatte bereits am Tso Kar erfahren, was für ihn Höhe bedeutet: Er hatte immer wieder Atemnot und konnte die Nacht kaum schlafen. Jetzt sollte er erleben, wie es sich auf über 5000 m anfühlt, einen schrofigen Weg hochzusteigen. Es gelang ihm ganz ordentlich.

Aber psychisch war er diesem plötzlichen Wettersturz nicht gewachsen. Am Khardung La brach er die Tour ab und kehrte sofort um Richtung Leh, weil er befürchtete, möglicherweise im Nubratal eingeschlossen zu werden, weil er den Pass am nächsten Tag nicht mehr queren könnte. Alles Zureden half nichts. Der Pass würde – wenn überhaupt nur für wenige Stunden geschlossen, dann hätte ihn das Militär wieder frei geräumt. Er wollte unbedingt umkehren.

Der Rest kämpfte sich im Nebel und Schneetreiben auf der Nordseite den Pass hinunter Richtung Nubra Tal. Es war ein unglaubliches Erlebnis. Standen wir vor wenigen Stunden noch im Schneesturm auf dem Khardung La, fanden wir kurz darauf zunächst in einer grünen Oase am Fluss Shyok beim Lunch wieder.

Am Nachmittag besichtigten wir das Kloster Diskit, bevor wir in das Luxuscamp nach Hunder weiterfahren und dort am späten Nachmittag bei schönsten Wetter in kurzen Hosen zwischen Kamelen über die Sanddünen wandern.

Jens war beim Rest der Truppe in Leh geblieben. Sie besichtigten am Nachmittag das berühmteste Kloster in Ladakh: Kloster Hemis.

Tag 10: Dienstag, 16. Juli 2019

Hunder – Leh (120 km)

Was für eine Wende: Heute präsentiert sich der Khardung La bei schönstem Wetter, eingetaucht in herrliches Weiß, das so wunderbar mit dem blauem Himmel harmoniert, wie unser schönes weiß und blau in meiner bayrischen Heimat. Was für ein Blick zurück in dieses wunderschöne Nubratal und hinüber in die hohen Berge des Karakorums jeseits der Grenze. Endlich dieses Nubratal – mein Tal der Sehnsucht erreicht zu haben, lässt mich die Schweiz Indiens, Kashmir, vergessen. Wie glücklich die Entscheidung war, dieses Jahr nicht weiterzureisen nach Kashmir, sollte sich noch zeigen.

Zurück in Leh genossen wir den Nachmittag nochmals in der Stadt.

Tag 11: Mittwoch, 17. Juli 2019

Leh – Lamayuru (115 km)

Bei schönem Wetter begeben wir uns auf den Leh-Srinagar-Highway. Dieser ist bestens ausgebaut und bietet doch so herrliche Ausblicke wie hier an der Mündung des Zanskar in den Indus.

Bei Kalatse verlassen wir den Indus und folgen dem Yapola (auch Wanla) flussaufwärts in das Moon Valley. Darüber thront das sagenhafte Kloster Lamayuru. Nach dem Mittagessen machen wir einen Ausflug in die sagenumwobene Hanupatta-Schlucht.

Sie liegt auf dem Trek in das Zanskar nach Photoskar Richtum Padum. Tief beeindruckt kehren wir nach Lamayuru zurück.

Tag 12: Donnerstag, 18. Juli 2019

Lamayuru – Leh (115 km)

Vor dem Frühstück führe ich die Gruppe noch auf einen Aussichtspunkt über dem Kloster Lamayuru, von wo aus wir das ganze Moon Valley vor uns liegen haben.

Nachdem Frühstück cruisen wir gemütlich zurück nach Leh und lassen dort die Reise bei einem gemeinsamen Abendessen mit unserer Motorcycle-Crew ausklingen. Jetzt heißt es packen. Morgen soll es mit dem Flugzeug zurück nach Dehli gehen.

Tag 13: Freitag, 19. Juli 2019

Leh – Manali (473 km)

5 Uhr Frühstück. Auf zum Flughafen. Regen. Geplanter Abflug 7:40 Uhr. Der Flughafen ist gefüllt mit Reisegruppen, die Ladakh heute verlassen wollen. Viele haben wie ich in der kommenden Nacht einen Rückflug nach Europa gebucht. Es wird 8 Uhr, es wird 9 Uhr. Es wabern Gerüchte durch die Flughalle, dass kein Flugzeug landet oder abhebt, solange es regnet. Plötzlich Aufregung am Gate. Ein Flugzeug soll fliegen. Fehlalarm. Gegen Mittag reift allmählich die Gewissheit, dass heute kein Flugzeug mehr fliegt. Einige wollen mit dem Taxi nach Srinagar, um von dort vielleicht nach Delhi fliegen zu können. Was für ein Wahnwitz: Wir haben die Route eigens aus Sicherheitsgründen so geplant, um diese Konfliktregion zu meiden, insbesondere weil das Auswärtige Amt eine Reisewarnung ausgesprochen hatte. Wir kehren ins Hotel zurück. Chaos. Im 15 Minuten Takt neue Gerüchte: Die nächsten Tage gehen keine Flüge raus. Plötzlich morgen geht ein Flug, nur noch wenige Plätze frei. Unsere Gruppe ist in Auflösung begriffen: Die ersten versuchen über Angehörige in Deutschland Flüge zu buchen. Was nicht gelingt. Wie ich von meiner Tochter erfahre, sind laut Internet unsere Flüge zwischen Leh und Delhi planmäßig unterwegs, andere berichten, dass über das Internet dass die Rechner während des Buchungsversuches plötzlich abbricht.

Adalbert aus Regensburg wird es irgendwann zu bunt: Er bestellt ein Taxi und begibt sich auf dem Landweg nach Delhi; er bietet Interessenten an mitzufahren. Es bildet sich die erste Gruppe und fährt mit dem Taxi nach Delhi. Wir warten zu. Aber auch unser Guide, der ständig mit dem Büro in Manali telefoniert, kann uns keine verbindliche Auskunft geben, wann wir einen Flug von Leh nach Delhi bekommen können. Schließlich bilden sich bis Nachmittag um 15 Uhr zwei weitere Gruppen, die ein Taxi chartern.

Einige entschließen sich, in Leh auszuharren. Sie haben keine Eile, weil ihre Interkontinentalflüge erst in den nächsten Tagen nach Europa gebucht sind. Sie wollten ursprünglich noch etwas Sightseeing in Indien machen.

Sie werden schließlich 3 Tage später am Montag, den 22. Juli 2019 von Leh nach Delhi fliegen. Sandra und Harald bleiben auch zurück, weil sie das Risiko einer Überlandfahrt zurück über die hohen Pässe nicht mehr eingehen wollen.

Für unsere Gruppen beginnt das Abenteuer um 15.30 Uhr. Zwei Taxis holen uns ab. Sie tanken kurz hinter Leh. Und dann geht es in einer abenteuerlichen Nachtfahrt über den Leh-Manali-Highway in einem Zug zurück bis Manali: 473 km über Tanglang La 5365 m, Lanchulung La 5065 m, Nakee La 4750 m, Baracha La 4850m, Rohtang La 3980 m nonstop, die Strecke, die wir sonst in 3-4 Tagen gefahren sind,  in einer einzigen Nacht.

Ich saß auf dem Beifahrersitz. Ich machte kaum ein Auge zu. Ich kenne die Strecke mittlerweile in- und auswendig. Angespannt warte ich auf die Passagen, wo die Autos aufsaßen und nicht mehr weiter konnten.  Was uns zu Beginn der Nachtfahrt nervös macht, war die Tatsache, dass unser Fahrer schon am späten Nachmittag begonnen hatte, sich die Augen zu reiben, so als ob er bereits jetzt mit Müdigkeit zu kämpfen hätte. Ich hatte ihm angeboten, ihn abzulösen, falls er zu müde werden sollte. Doch welch ein Wunder: Er fuhr herausragend über Stock, Fels und Stein und wir erreichten im Morgengrauen Manali.

Tag 14: Samstag, 20. Juli 2019

Manali – Delhi (530 km)

6.00 Uhr morgens; Die nächsten Taxis stehen bereit. Wir laden um. Und weiter geht es in den Tag hinein. Und wir fahren und fahren. Nochmals 290 km Kurven über Kurven aus den Bergen hinaus nach Chandigarh. Nordindien im Schnelldurchlauf. Gegen Nachmittag kommt der Verkehr auf der sechsspurigen Autobahn Richtung Delhi mehrmals ins Stocken, sodass wieder Bedenken aufkommen, ob wir die umgebuchten Interkontinentalflüge noch erreichen würden.

Doch es wurde alles gut. Gegen 19.30 Uhr erreichten wir unser Hotel in Dehli. Die Zeit reichte noch, um zu duschen, eine Kleinigkeit zu essen, sich zu verabschieden. Um 21.30 Uhr ging es zum internationalen Indira-Gandhi-Flughafen nach Delhi.

Tag 15: Sonntag, 21. Juli 2019

Delhi – München

Mit 24 Stunden Verspätung landeten die ersten, die über München nach Deutschland zurückreisten, wieder auf heimischen Boden. Was für ein Abenteuer. Die siebte Dane Transhimalaya Trophy hatte alles getoppt, was ich bisher seit 2013 auf dieser Tour erleben durfte.

Nachtrag:

Am 5. August um 8.00 Uhr morgens erreichte Deutschland die Meldung, dass die Lage in Kashmir zu eskalieren droht. Sämtliche Telefon- und Internetverbindungen wurden gekappt. Panik brach aus. Touristen kamen tagelang nicht weg.

Am 3. Oktober 2019 habe ich mit den beiden Teilnehmern nochmals telefoniert, die es am härtesten bei dieser Tour getroffen hatte:

Sandra und Harald

Zur Erinnerung: Sandra wurde von einem indischen Pickup von der Straße gefegt und hatte sich den Außenknöchel gebrochen, Harald wäre ums Haar an einem Lungenödem erstickt. Ich wollte wissen, wie sie diese Reise nach fast drei Monaten beurteilen.

Beide waren sich einig: Diese Reise möchten sie nicht missen. Im Nachgang überwiegen schon jetzt die positiven Erinnerungen. Beide haben es nicht bereut, diese großartige Reise auf das Dach der Welt mitgemacht zu haben.

Und mit dieser Einschätzung sind sie nicht allein:

Reinhard:

„Ich fand die Tour absolut genial, auch wenn Abschnitte dabei waren, die nicht immer pure  Freude waren.“

Weitere Informationen zu dieser Reise:

Himalaya
Indien
Dehli
Himachal Pradesh
Ladakh
Kashmir
Buddhismus
Hinduismus

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Eine Antwort zu Dane Transhimalaya Trophy 2019

  1. Sven Jacobs sagt:

    Danke Peter für deinen Blog!
    Leider wird die Bullet langsam aussterben, sie ist aber das einzig Wahre für diese Tour, vergesst die RE Himalayan. Mit der Himalayan mag man im Stehen eine bessere Figur machen, als mit dem breiten Tank zwischen den Knien, man fährt eben alles im Sitzen (und ich bin bei keiner einzigen Wasserdurchfahrt ungewollt abgestiegen :-)) .
    Fazit der Tour 2019 mit viel Wasser, Schnee, Kälte und unvergesslicher Landschaft mit „entblößter“ Geologie: LEIDER GEIL

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